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Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Titel: Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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hat das ja auch noch ganz andere Gründe - “
    „Andere Gründe als was?“
    „Als dass ich bei Felix arbeite.“
    „Und welche?“
    Till dachte nach. Verschiedene Erinnerungen gingen ihm durch den Kopf. Vor allem musste er an Bentheim denken, daran, wie Max‘ Vater ihn, Till, damals mit in den Wintergarten seines Hauses genommen und gebeten hatte, auf Max aufzupassen. Zehn Jahre musste das inzwischen her sein. Unwillkürlich fragte sich Till, ob es am Ende nicht das war, was Max ihm vorwarf und nie wirklich verziehen hatte: Dass sein Vater ihm, Till, mehr vertraute als seinem eigenen Sohn.
    Aber er wollte mit Lisa nicht über ihren Vater sprechen.
    „Ich weiß nicht“, sagte er. „Wir kennen uns schon so lange … es ist so viel passiert … “
    Die Schreie. Der Schädel. Das Sandgrab. Wie ein Wahnsinniger musste Bentheim gegen die Tür angerannt sein. ‚Das hab ich doch nicht gewollt.‘ Max‘ aufgerissene Augen. ‚Ich hab es nur so gesagt. Das mit der Abteilung.‘ Max hatte es nur so gesagt. Till aber hatte die Tür zugeworfen.
    Er bemerkte, wie Lisa ihn ansah. Es war ihr Vater gewesen. Till hatte ihr nie gestanden, was dort unten in den Schächten unter Berlin vorgefallen war.
    „Du muss mit Max reden, Lisa“, sagte er schließlich. „Er geht sonst vor die Hunde.“
    „Ich habe mit ihm geredet, Till, hundert Mal, tausend Mal. Ich kann ihm nicht mehr helfen. Er ist kein Kind mehr.“ Ihre Stimme war fast nicht mehr zu hören.
    Till spürte, wie sich ein Bitzeln und Kribbeln in seinem Körper ausbreitete. Wie hatte es nur so weit kommen können? Er erinnerte sich, wie sie zu dritt durch den Garten gerannt waren, an jenem Tag, als er zum ersten Mal in der Bentheim‘schen Villa gewesen war. Wie sie zum Gartenhaus gelaufen waren, wo Lisa im Arbeitszimmer ihres Vaters verschwunden ist. Er sah Max‘ Gesicht vor sich, dieses ein wenig arrogant dreinschauende Kindergesicht.
    ‚Hast du nie Angst vor etwas gehabt, was du nur gelesen hast … ‘ War es nicht das gewesen, was Max ihn damals gefragt hatte?
    Nein, hatte Till geantwortet, natürlich nicht. Max aber hatte Angst davor gehabt. Seine Phantasie schien immer stärker gewesen zu sein als die Wirklichkeit, in der er lebte.
    „Ich habe die Verbindung zu ihm verloren“, hörte Till Lisa neben sich wie in Gedanken sagen. „Natürlich weiß ich, dass er mein Bruder ist, aber … es ist, als hätte er Dinge erlebt, die ihn so sehr verändert haben, dass darüber das, was uns verbunden hat, entzwei gegangen ist.“
    Till sah ihr ins Gesicht.
    „Wenn ich zu ihm gehe, mache ich alles nur schlimmer.“ Ihre Untröstlichkeit darüber zeichnete sich in ihren Zügen ab. „Ich würde so gern für Max da sein. Aber er erträgt es nicht, wenn ich versuche, ernsthaft mit ihm zu reden. Er wird rasend, bittet mich, ihn in Frieden zu lassen. Es ist, als würde ich ihn schon dadurch, dass ich mit ihm sprechen will, regelrecht verletzen.“
    Groß und dunkel blickten ihre Augen Till durch das Dämmerlicht hindurch an.


     
    ‚Genau, genau, genau … ‘
    Max hatte sich tief über die Platte seines Schreibtischs gebeugt und vollkommen vergessen, wo er sich befand. Der Kugelschreiber, den er in der Hand hielt, flog über das Papier. Er war restlos eingetaucht in die Welt seiner Geschichte. Alles stand ihm glasklar vor Augen - einer Allee gleich, in der jeder Baum eine weitere Station auf dem Weg zum Ziel markierte. Eine Allee, von der er vage ahnte, dass sie gleichsam an einem Meer oder einer atemberaubenden Klippe enden würde, an die zu gelangen ihn für alle Beschwerlichkeiten des Weges vollauf belohnen würde.
    Seit Anbruch der Dunkelheit arbeitete er bereits. Dreißig, fünfunddreißig eng beschriebene Blätter stapelten sich neben ihm auf dem Schreibtisch. All die Notizen, die er sich in den vergangenen Monaten gemacht hatte, wurden aufgehoben, eingeschmolzen in die Vision, die ihn an diesem Abend durchherrschte und bei der er wie durch ein Wunder einfach wusste, was wichtig war, was hineingehörte - und was unwichtig war, was er weglassen konnte. Gewissheit statt Zweifel! Als wäre der Augenblick, auf den er so lange schon gewartet hatte, endlich gekommen!
    Erschöpft hielt er inne. Alle Vorbereitungen, alle Zuspitzungen waren perfekt angelegt. Jedes Wort ein Treffer, jeder Handlungsschritt gelungen, jedes Kapitel fest gefügt, als wäre ihm der Grundriss für seinen Text von einem übergeordneten Wesen direkt eingeflüstert worden. Jetzt ging es nur noch

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