Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)
ihr Auftritt auf die Gesichter der anderen zauberte, berauschten Lisa beinahe und sie war froh, die Kleidung angenommen zu haben, die Felix für sie besorgt hatte.
Während Felix leichthin grüßte, wer auch immer sich ihnen zuwandte, gelangten sie von der Eingangshalle in einen angrenzenden Spiegelsaal, dessen Fensterfront auf einen Garten hinausging. Dunkelgrün wurde die Parklandschaft vom Feuerschein zahlreicher Fackeln aus der Nacht geschnitten. Auf einem Podest an der Seite des Saals musizierten zwei Geiger und ein Pianist, zwei Paare drehten sich neckisch im Tanz, die übrigen Gäste standen in Gruppen zusammen und unterhielten sich.
„Von Quitzow?“
Lisa wandte den Kopf und sah, wie Hennings Vater auf sie zukam. Weiter hinten erkannte sie Treibel und dessen Frau. Irritiert ließ sie Felix‘ Arm los. Mit ihm gesehen zu werden, war Lisa unangenehm. Und dann auch noch in Kleidern, die er ihr besorgt hatte! Sie bemerkte, dass sich jemand zwischen sie und Felix schob - und nutzte die Gelegenheit, um ein wenig Abstand zu gewinnen.
Während sie hinter sich Felix‘ Stimme versinken hörte, der Hennings Vater begrüßte, schlenderte sie auf die Fensterfront zu. Ein Kellner bot ihr ein Tablett mit Champagnerkelchen an. Lisa nahm sich eins der Gläser, trank - und genoss das kristalline, beinahe glitzrige Gefühl, mit dem die Flüssigkeit ihre Kehle hinunterrann. Erfrischt und mit dem Glas in der Hand, trat sie durch eine der geöffneten Glastüren ins Freie.
Vor dem Saal erstreckte sich eine mit Steinplatten gepflasterte Terrasse, von der aus Lisa den für die nächtlichen Feierlichkeiten hergerichteten Garten überblicken konnte. Zahlreiche Heizpilze milderten die Kühle der Nacht ab. Auch hier hatten sich die Gäste zu verschiedenen Gruppen zusammengefunden, Frauen in schulterfreien Abendkleidern, ergraute Herren mit hochbeinigen Hunden an ihrer Seite, weiß oder dunkelblau herausgeputzte Kinder, die zwischen den Erwachsenen umherrannten. Mit Kies ausgelegte Ebenen glichen den Höhenunterschied zwischen dem Haus und einem Teich aus, der gut zweihundert Meter weiter auf dem tiefsten Punkt des Parks angelegt war.
Von den Eindrücken, der Schönheit, dem Traumhaften der Szenerie berührt, nippte Lisa an ihrem Glas. Sie scheute sich davor, ihre Gedanken zu bündeln, ahnte sie doch, dass es nur einen darunter geben würde, der wirklich greifbar war. Der Gedanke an Felix. Den aber wollte sie nicht zulassen.
Während sie die langgezogenen Stufen in den Garten hinabschritt, spürte sie, wie das weiche Fell eines Hundes an ihrem Bein vorbeistrich. Ihr war aufgefallen, dass sich zu ihrer Linken zwei oder drei Dutzend Gäste an einem Geländer versammelt hatten und dahinter etwas zu beobachten schienen. Lächelnd sah sie dem Hund hinterher, der ihr vorauslief und seinen Kopf zwischen die Beine der Umstehenden drängte. Was mochte die Neugier der Menschen dort so erregen? Lisa gesellte sich zu den Schaulustigen und lugte einer kleineren Frau über die Schulter, die unmittelbar an dem Geländer stand.
Vier oder fünf Meter ging es dahinter senkrecht nach unten. Eine sorgfältig aufgemauerte, ovale Vertiefung von vielleicht dreißig Metern Durchmesser, die ringsum von einer steinernen Balustrade umfasst war. Eine Arena, die noch aus der Bauzeit der Villa stammen musste und an die Grotten- und Ruinenästhetik der damaligen Epoche erinnerte. Lisa schob sich nach vorn, legte die Hände auf den Sims des Geländers und blickte wie die anderen Menschen auch in die Vertiefung hinab.
In der Mitte des Ovals stand ein junger Mann, entblößt bis auf ein Tuch, das er um seine Leisten geschlungen hatte. In der einen Hand hielt er einen langen Stab, dessen Ende sich in zwei Spitzen teilte, die andere steckte hinter einem Holzschild, mit dem er seinen Oberkörper abschirmte. Sein Blick aber war nicht nach oben zu den Schaulustigen gerichtet - sondern auf ein Tier, das lautlos an der Mauer der Grube entlang schlich. Ein schwarz glänzender Panther, dessen feine Barthaare im Licht der Fackeln zitterten.
„Bist du sicher, dass du dir das ansehen willst?“
Atemlos wandte sich Lisa um. Felix hatte sie am Arm berührt. Sie suchte nach Worten.
„Die Katze hat keine Chance“, hörte sie Felix sagen. „Der Mann ist kostümiert, aber er weiß, was er tut. Er wird das Tier töten.“
Lisa fühlte, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Das … das konnte doch nicht wahr sein! Der Panther war wunderschön! Warum sollte jemand so etwas
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