Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)
Augen haben voller Verheißung geblinkt.
Mit eingeschalteter Sirene und Warnleuchte ist Butz über den Ring gerast. Verwischte Aufnahmen beiseite springender Wagen sind dabei entstanden und er hat seinen Job riskiert. Claire aber hat auf dem Beifahrersitz gehockt, jeder Muskel in ihrem Körper angespannt, hat das Fenster heruntergekurbelt und ihre Kamera nach draußen gerichtet, hat Aufnahme um Aufnahme gemacht, während sie zwischen den anderen Fahrzeugen hindurchgejagt sind. Butz hat den Auslöser knattern gehört und dazwischen immer wieder Claire, die ihm zuschrie, dass er schneller fahren sollte, auf die Überholspur wechseln oder gar auf den Sicherheitsstreifen.
Er streckt die Beine unter sich aus. Die Rücklehne seines Autositzes ist ein wenig heruntergeschraubt und er starrt durch die Windschutzscheibe ins Dunkel vor ihm.
Er hat die Bilder vom Ring in Claires Zimmer auf ihrem Schreibtisch gefunden. Heute Vormittag, bevor er ins LKA gegangen ist.
Sie gehen ihm nicht aus dem Kopf.
Auf einer Aufnahme ist ein Stück von Claires Gesicht zu sehen gewesen. Sie trägt darauf eine Sonnenbrille, der Fahrtwind schleudert ihr das Haar ins Gesicht, und sie strahlt, ganz aufgeregt von dem Sirenenritt, mit dem sie über die Straße jagen.
Er hat sie nicht wieder gesehen.
Nicht wieder mit ihr gesprochen.
Heute Morgen hat er auf der Mailbox seines Handys eine Nachricht vorgefunden. „Melde mich sobald wie möglich. Alles in Ordnung. Claire.“ Er muss so erschöpft gewesen sein, dass er nicht aufgewacht ist, als das Telefon geklingelt hat.
Butz richtet sich in seinem Autositz ein wenig auf. Es ist ohnehin nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis sie ihn verließ. Er stützt die Ellbogen auf das Steuerrad, legt die Fingerspitzen beider Hände an die Nasenwurzel, als er an das letzte Mal denken muss, dass sie miteinander geschlafen haben. Claire ist in Gedanken schon nicht mehr bei ihm gewesen, er hätte sie eigentlich nicht anfassen dürfen.
Sein Blick geht durch die Seitenscheibe seines Wagens auf den unruhigen Schein einer offenen Flamme, die draußen flackert. Ab und zu stäuben Funken von den Spitzen der Flammen in die Nacht. Das Feuer züngelt aus einer Blechtonne heraus und sein Widerschein erhellt die schlanke Silhouette einer Frau, die neben der Tonne steht. Sie ist verpackt wie ein Weihnachtsgeschenk. Schleifchen, Spitzen, Streifen nackter Haut. Ein Bonbon. Zum Vernaschen.
Vorhin ist er im Comfort gewesen.
Dort haben sie sich an Fehrenberg gut erinnert. Butz‘ Kollege habe nach einem jungen Mann und einem Mädchen gefragt, an die sich die Rezeptionistin ebenfalls noch vage erinnern konnte. Wie die meisten Gäste hatten die beiden jungen Leute jedoch gleich bar bezahlt, um sich gar nicht erst ins Buch eintragen zu müssen. Die Rezeptionistin hat dem Kellner recht gegeben: Das Paar wirkte ganz so, als wären sie von der Straße mit den Blechtonnen gekommen. Wer das Comfort aufsuche, komme meistens von dort, Butz wisse schon, von der Straße, die weiter unten unter dem Autobahnring hindurchführe. Wenn er herausbekommen wolle, wer das Mädchen gewesen ist, sollte er sich am besten dort einmal umhören.
Butz‘ Wagen steht auf einem Parkplatz an genau dieser Straße. Eine ehemals durchaus biedere Vorstadtgasse zwischen Berlin und Bernau, die zum Teil unterhalb der Trasse des Berliner Rings verläuft und deren Häuser seit ein paar Jahren von keinen Familien mehr bewohnt werden. Stattdessen haben sich die Typen ihre Büros dort eingerichtet, die die Mädchen an den Tonnen zu laufen haben. Ein ganzer Straßenzug ausgehöhlt und besetzt von Leuten, denen unbescholtene Bürger lieber aus dem Weg gehen.
Butz‘ Blick folgt dem Bonbonmädchen neben der Tonne. Sie hat ihr Beine in den überlangen Stiefeln zu einem X gestellt, die Schultern hochgezogen und ein Handy am Ohr. Ein Scheinwerferpaar gleitet auf sie zu, wird langsamer, hält. Sie steckt das Handy weg und beugt sich zum Beifahrerfenster herunter, ihr Hintern steht steil nach außen ab.
Den ganzen Abend lang hat sich Butz mit den Männern herumgeschlagen, die in den Häusern über die Frauen wachen. Er hat Aufnahmen von Fehrenberg gezeigt und vom Tatort. Vergeblich. Es ist den Typen nur zu deutlich anzumerken gewesen, dass sie mit der Kripo möglichst wenig zu tun haben wollen - auch wenn das natürlich keiner gesagt hat. Bis Butz zu guter Letzt doch noch auf einen stämmigen Glatzkopf gestoßen ist, der eingeräumt hat, bereits mit Fehrenberg über die
Weitere Kostenlose Bücher