Berndorf 07 - Trotzkis Narr
die Kamera. »Wir haben zwei Verbrechen der vorsätzlichen Tötung, von denen wir überzeugt sind, dass wir sie Lutz Harlass zurechnen können. Das sind zwei Verbrechen zu viel. Aber ist es deshalb eine Serie? Was den dritten Fall angeht, zum Fall des Mannes, der in seinem Auto verbrannt ist, gibt es zwar ebenfalls Hinweise, die für eine Tatbeteiligung von Lutz Harlass sprechen, aber jede Festlegung wäre verfrüht.«
»Und die Schießerei im Kongresszentrum? Es heißt, da seien Sie selbst das Ziel gewesen?«
»Wenn man sich umhört, und das ist Ihre Aufgabe als Journalist« – die Kamera zeigt, wie die Staatsanwältin sich dem Reporter zuwendet – »dann hören Sie auch viel. Richtig ist, dass ich mich während dieses Vorfalls selbst im Kongresszentrum aufgehalten habe. Um jede Befangenheit meinerseits auszuschließen, habe ich meinen Kollegen Roland Meusebach gebeten, dass er diesen Aspekt der Ermittlungen übernimmt, soweit sie den von Ihnen angesprochenen Schusswechsel im Kongresszentrum betreffen.«
»Sind das terroristische Taten?«
»Jeder Mord ist Terror«, sagt die Staatsanwältin auf dem Bildschirm und blickt ernst und entschlossen in die Kamera . »Terror gegen das Leben. Aber Ihre Frage zielt darauf, ob Harlass Einzeltäter war. Und ich glaube jetzt, dass wir das positiv beantworten können. Harlass hat aus Hass und aus einem vermutlich rassistisch unterfütterten Fanatismus gehandelt. Aber er ist, da bin ich mir ganz sicher, ein Einzeltäter.«
»Und es gibt auch keine Verbindungen zur Organisierten Kriminalität, zur Mafia?«
»Es ist richtig, dass wir in Berlin die Herausforderungen durch die Organisierte Kriminalität sehr ernst nehmen müssen.« Dazu zeigt die Kamera das Gesicht der Staatsanwältin in Großaufnahme. Es ist ein sehr besorgtes Gesicht. »Aber mit dem Fall Harlass hat dies nichts zu tun. Lutz Harlass ist von psychisch und charakterlich labiler Struktur, auch wenn ich hier den weiteren Untersuchungen nicht vorgreifen will. Aber die Organisierte Kriminalität hätte sich eines solchen Mannes nicht bedient …«
Auf dem Bildschirm erscheint jetzt wieder das Nachrichtenstudio, und der Sprecher wechselt zu den neuesten Kostensteigerungen beim Bau des Berliner Großflughafens. Stukkart stellt den Fernseher ab. »Fein hast du das gemacht, sehr überzeugend«, sagt er und will den Arm um sie legen, aber sie wehrt ihn ab.
»Jedenfalls tu ich einiges, um deinen Laden aus dieser Geschichte rauszuhalten«, sagt sie. »Aber ich beginne mich zu fragen, ob ich dafür nicht einen zu hohen Preis bezahle.«
Gedämpft sind die Signale eines Mobiltelefons zu hören. Dagmar Wohlfrom-Kühn runzelt die Stirn, dann steht sie auf, geht zu dem Sessel neben dem Bett und sucht zwischen ihren Kleidern, die sie dort abgelegt hat, nach ihrem Handy. Schließlich findet sie es, es klingelt noch immer, und sie meldet sich …
»Dingeldey«, sagt der Anrufer, »ich bin untröstlich, wenn ich stören sollte, aber wir sollten uns dringend über einige dieser Leichen unterhalten, die sich in Ihrem Revier angesammelt haben, vielleicht morgen Vormittag schon?«
Donnerstag, 20. Dezember
K ein Streik, kein Wintersturm, ein wenig Schneeregen. Trotzdem hat der Flieger aus New York Verspätung, eine gute Dreiviertelstunde sogar, Berndorf hat eine Zeitung gekauft und sich mit einem Becher Milchkaffee auf einen Barhocker zurückgezogen. Glaubt man den Schlagzeilen, dann findet das Weltgeschehen auf dem Börsenparkett statt, und so will er schon zum Berliner Lokalteil weiterblättern, als ihm eine Notiz auf der Titelseite ins Auge springt:
»Regnier im Visier der
US-Börsenaufsicht
New York/Berlin. Eine wenig weihnachtliche Botschaft ist dem Vorstand des Regnier-Konzerns dieser Tage aus New York zugestellt worden: Die amerikanische Börsenaufsicht, die US Securities and Exchange Commission (SEC), ermittelt gegen den international operierenden deutschen Konzern wegen verbotener Schmiergeldzahlungen in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen US -Dollar. Wie in New York zu erfahren war, sind die Ermittlungen durch ein umfangreiches Dossier ausgelöst worden, das ein ehemaliger leitender Angestellter von Regnier, Stefan A. (35), der SEC vorgelegt hat. Regnier, das sich dem Verfahren nicht entziehen kann, weil es sonst vom US -Kapitalmarkt ausgeschlossen würde, muss mit einer Strafe in doppelter Höhe der gezahlten Schmiergelder rechnen (ausführlicher Bericht im Wirtschaftsteil).«
Berndorf trinkt einen
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