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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 2
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stellte ihn mir hin. Ihre Finger zitterten leicht, sodass das heiße Getränk auf den blümchenverzierten Unterteller und von dort auf meine Hose schwappte.
    Ich zuckte zurück, während die schrullige Alte ein »Oh Verzeihung!« ausrief.
    »Ist ja nichts passiert«, sagte ich verärgert, während ich sie davon abhielt, mit ihrem geblümten Taschentuch den Schaden wegzuwischen. So wild war es wirklich nicht.
    Anstatt sich wieder zu entfernen, nahm sie auf dem gegenüberstehenden Sessel Platz und beobachtete mich mit ihren wachen Augen, die viel jünger wirkten, als ihr zerbrechlicher Körper Glauben machen wollte.
    Ich bemühte mich, ihren scharfen Blick zu ignorieren, während ich an der Tasse nippte. Es funktionierte nicht.
    »Nein, wie ein jähzorniger Mörder benehmen Sie sich nicht«, sagte die Alte zu meiner Verblüffung. »Sie sind noch nicht einmal aus der Haut gefahren, als ich sie verbrüht habe.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte ich.
    »Vielleicht sind Sie ja eher einer von der kaltblütigen Sorte«, fuhr sie ungerührt fort. »Sie haben gerade bewiesen, dass Sie sich im Zaum halten können.«
    Die Alte war verrückt. Oder sie ließ sich allzu sehr von dem Ambiente des
Café Sherlock
inspirieren.
    »Ich will einfach nur in Ruhe meinen Kaffee trinken, bevor ich weiterfahre«, beharrte ich. Ich hatte keine Lust, die kurze Pause mit einer Verrückten zu verschwenden.
    Sie erhob sich. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Ihr jungen Leute tut so, als hätten wir Alten nicht mehr alle Tassen im Schrank, aber wir Alten wissen, dass ihr Jungen sie nicht mehr alle habt!« Und damit verschwand sie.
    Ich atmete auf.
    In diesem Moment wurde die Eingangstür aufgestoßen, und der Schneesturm wehte eine schwarz gekleidete Gestalt herein. »Sauwetter«, schimpfte der Mann, bei dem es sich augenscheinlich um einen Priester handelte. Er war von kleiner, gedrungener Gestalt, und sein absonderlicher Hut umgab seinen runden Kopf wie ein Heiligenschein. Er schüttelte den Schnee vom Schirm. Erst danach nahmen seine grauen Augen mich wahr. »So sehen Sie also aus«, sagte er. Und bevor ich überhaupt etwas erwidern konnte, fuhr er fort: »So wie alle Mörder: Man sieht es Ihnen nicht an.«
    Ich lachte auf. »Jetzt begreife ich, was hier läuft. Eine Art Scharade, oder?«
    Er runzelte die Stirn. »Sie meinen, ich spaße?« Er setzte sich, während er mich die ganze Zeit über weiter taxierte. »Der Wagen draußen gehört Ihnen, nicht wahr? Ich habe die Beule vorne rechts gesehen. Wahrscheinlich sind Sie trotz des Wetters zu schnell gefahren? Sie hatten es eilig, stimmt’s?«
    Ich erwiderte nichts.
    Er schüttelte den Kopf. »Die Wege des Herrn sind unergründbar. Wissen Sie, ich versuche jedes Mal, mich in den Kopf des Verbrechers hineinzuversetzen – ich krieche in sein Gehirn, bis ich glaube, selbst der Verbrecher zu sein.« Sein Blick streifte meinen Ringfinger. »Sie sind verheiratet. Ihren Ring haben Sie erst vor Kurzem abgezogen, ich sehe es an dem weißen Streifen. Vielleicht lebte Ihre Frau sogar noch, als Sie mit ihr in die Eifel fuhren ...«
    Ich erhob mich abrupt. »Hören Sie auf! Hören Sie auf oder ...?«
    »Oder?«, lächelte er mich an. »Wollen Sie einen alten Mann wie mich etwa schlagen? Oder auch ermorden?«
    »Vielleicht habe ich mich doch geirrt, Father«, ließ sich eine Stimme vernehmen. Die schrullige Alte war wieder herangekommen. »Ich glaube, er neigt doch zu eher impulsiven Ausfällen.«
    »Hören Sie mir beide zu«, sagte ich. »Ich habe keine Lust auf diese Spielchen. Die Fahrt steckt mir in den Knochen. Ich will nur in Ruhe meinen Kaffee austrinken. Meinetwegen können Sie die Scharade weitermachen, wenn ich hier raus bin.«
    »Ich sagte Ihnen doch, es ist keine Scharade«, betonte der mit Father Angesprochene. »Es ist uns bitterer Ernst. Gott findet alle Sünder. Bereuen Sie, bevor es zu spät ist!«
    »Mir reicht’s, danke für den Kaffee!«, sagte ich und erhob mich. Bevor ich mich verabschiedete, musste ich allerdings noch einem dringenden Bedürfnis nachgehen. Ohne ein weiteres Wort ließ ich die beiden stehen und suchte die Toilette. Eine Tür mit der Aufschrift
WC
und einer Abbildung von Sean Connery als James Bond schien mir zu dem richtigen Ort zu führen.
    Als ich die Tür aufstieß, musste ich erstaunt feststellen, dass ich nicht der einzige Besucher der Toilette war. Ein älterer, grauhaariger Herr in Jeans und Cordweste zog sich soeben den Reißverschluss zu. Als

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