Berndorf, Jacques (Hrsg)
zerplatzen. »Habe ich das gerade richtig verstanden? Du liebst mich? Wenn du so deine Liebe zeigst, dann wäre es mir lieber, dass du mich hasst!« Sie zog die Luft zischend zwischen ihren Zähnen hindurch, ihre Fäuste schlossen sich um Messer und Gabel.
Sechzehn glückliche Jahre lagen hinter ihnen, doch Ulrich Klönke fragte sich nun ernsthaft, ob er ein siebzehntes erleben würde. Seine Frau richtete nämlich die Zinken der Gabel auf ihn. »Hast du mich mal angeschaut?«, fragte sie mit Eiseskälte. »Ich meine: richtig angeschaut?«
Darauf konnte es nur eine Antwort geben: »Du siehst fabelhaft aus – wie immer, Schatz!« Etwas Spitzes traf ihn am Schienbein. Es fühlte sich an wie ein Eispickel, doch es musste Ulrikes Schuhspitze sein.
»Ich sehe un-mög-lich aus! Aber das ist ja auch kein Wunder! Denn du hast mich ja zu einer Überraschungsspritztour entführt, ohne mir zu sagen, wohin es geht. Dabei hasse ich Überraschungen, das solltest du nach sechzehn Jahren Ehe wissen. Und natürlich habe ich jetzt nicht das Richtige zum Anziehen dabei. Schon bei der Wanderung durch die Weinberge von …«
»… Bernkastel-Kues, am schönsten fand ich es im Bernkasteler Doctor mit seinem verwitterten Tonschiefer und im …«
Sie schnitt ihm das Wort ab: »Ich bin ständig mit meinen Slippern umgeknickt! Und nun sitze ich hier im Freizeitlook. Es ist so beschämend, ich könnte losheulen.«
Ulrich Klönke traute sich nicht nochmals seine Hand auf die ihre zu legen – denn schließlich war Ulrike nun bewaffnet. »Aber ich habe es doch nur gut gemeint, mein Engel! Und hier kocht doch dein geliebter Josef Kufer. Nicht im Fernsehen, sondern für dich!« Ulrich Klönke winkte einen Ober herbei. »Sagen Sie jetzt doch bitte Herrn Kufer Bescheid, dass er an unseren Tisch kommen darf.« Der Angesprochene buckelte und verschwand.
Ulrich goss seiner Ulrike noch etwas Riesling nach, vom Schieferboden, eine fruchtsüße Spätlese, aus Zeltingen-Rachtig. Als Aperitif hatte er einen seltenen Elbling aus Nittel reichen lassen, zum Hauptgang würde es einen Spätburgunder aus Brauneberg geben – der rote Wein musste das Herz seiner geliebten Frau doch erweichen!
Die blickte ihn jedoch immer noch an wie ein tollwütiger Gartenzwerg. »Ich hoffe für dich, dass Kufer wirklich kommt – und sein neues Buch dabei hat.«
Schnell raunte Ulrich einen anderen Ober an. »Holen Sie endlich den Maestro an den Tisch!« Dann versank der Mond über dem Moseltal. Riesling-Kräutersuppe, Weincrewes und Moselzander in Safran-Rivanertraubensoße wurden aufgetischt. Viele Kellner kamen an den Tisch – doch kein Josef Kufer. Die Laune der immer stärker alkoholisierten Ulrike sank.
Und dann kam auch noch Irene!
Sie war der Grund, warum diese panisch organisierte Überraschungsreise überhaupt nötig war. Irene, seine Jugendliebe, mit der er sich zu einem Spaziergang getroffen hatte. Einem harmlosen Spaziergang! Es war nichts passiert, sie hatten nur über die alten Zeiten geredet. Ein kleiner Abschiedskuss, auf die Wange, das war alles gewesen! Natürlich hatte er seiner Ulrike nichts davon erzählt, denn sie war doch immer so schrecklich eifersüchtig.
Aber dann hatte sie alles herausgefunden.
Eigentlich sollte Irene längst wieder zurück in den Staaten sein. Jetzt küsste sie ihn zärtlich. Auf die Lippen. Hätte er ihr doch bloß nicht von diesem Restaurant vorgeschwärmt!
Ulrike stieg der Dampf aus den Ohren.
»Und Sie müssen Ulrike sein, freut mich sehr.« Irene reichte ihr die Hand. »Ulrich hat mir so viel über Sie erzählt – natürlich nur Gutes. Ich habe Sie mir aber ganz anders vorgestellt.«
»Wie denn?«, fragte Ulrike zuckersüß.
»Viel älter, und nicht so schlank.« Sie lehnte sich zu ihr. »Und ich finde es ausgesprochen mutig, dass Sie hier in
casual dress
sitzen – es geht mir auch immer viel zu steif in Deutschland zu.« Sie kicherte. »Dann will ich nicht länger stören. Hat mich sehr gefreut!«
»Mich noch viel mehr«, erwiderte Ulrike.
Es kam Ulrich vor, als seien die Temperaturen auf den Gefrierpunkt gesunken. Er nahm einen großen Schluck des rassigen Rieslings – doch seine Lebensgeister kehrten nicht zurück.
Ulrike stand auf. Griff sich ihr Glas (Riesling von der Lage Kröver Nacktarsch) und leerte es mit Schwung auf Ulrichs Anzug. Dann klebte sie ihm eine. Und schrie. Glühbirnen platzten nicht – aber die Glasscheiben wackelten bedrohlich.
Das ist das Ende, dachte Ulrich. Das Ende einer
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