Berndorf, Jacques (Hrsg)
er mich sah, warf er mir einen brummigen Blick zu. »Hör zu, mein Freund, du befindest dich hier zwar am Arsch der Welt, aber das heißt nicht, dass du irgendwelche Hinterwäldler vor dir hast.«
»Davon bin ich auch nie ausgegangen«, beschwichtigte ich den Grauhaarigen. Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Mittlerweile war ich zu der Überzeugung gelangt, es mit einer Horde Verrückter zu tun zu haben.
»Das ist auch gut so«, fuhr er, milder gestimmt, fort. »Denn die Eifel ist eindeutig der schönste Arsch der Welt.«
Ich nickte.
»Nichts für ungut, bin sowieso gleich wieder weg«, sagte der Mann, »wollte mir nur meine Pfeife holen, hatte sie im Café vergessen.«
Als ich die Gaststube abermals betrat, waren sämtliche Gestalten verschwunden. Ich atmete auf.
»Möchten Sie noch einen Kaffee?«, fragte die Bedienung.
»Nein danke!« Ich hatte genug von dieser seltsamen Örtlichkeit. Ich zahlte und zog mir die Jacke über.
»Was haben Sie es denn auf einmal so eilig?«, fragte die Kellnerin besorgt. Die Straßen sind eisglatt. Ich kann Ihnen auch ein Zimmer besorgen, wenn Sie möchten.«
Ich antwortete nicht, denn in diesem Moment verdunkelte sich die Glasscheibe der Eingangstür. Ein schwarzer Schatten hob sich davor ab. Im Profil erkannte ich eine scharf geschnittene Habichtnase, einen Deerstalker und eine gebogene Pfeife. Selbst ich wusste, wer sich dort ankündigte.
Ich fühlte plötzlich Panik in mir aufsteigen. Die Scharade schien noch nicht vorbei zu sein. »Gibt es auch einen Hinterausgang?«, fragte ich.
Sie nickte. »Dort neben der Theke – aber warum?«
Ich hastete an ihr vorbei, zurück in die Kälte, zurück ins Schneetreiben. Ich lief um das lang gestreckte Gebäude herum, bis ich meinen Wagen erreichte. Im Café war es stockdunkel.
Mit zitternden Händen schloss ich den Wagen auf, ließ mich auf den Sitz fallen und startete den Motor.
Ich setzte zurück und kam schlingernd zurück auf die Straße.
Als ich noch einmal zurückblickte, gaukelten mir die Leuchtbuchstaben des
Café Sherlock
für einen Moment einen ganz anderen Namen vor:
A Casa del Diavolo
. Meine Nerven ...
Dann gab ich Gas. Es war mir gleichgültig, dass der Schnee mich mit Blindheit schlug ...
»Dieser Irre! Bei dem Wetter derart zu rasen. Zum Glück hat er nicht noch andere Leute mit in den Tod gerissen«, schimpfte der Polizist. »Komisch, letztes Jahr um diese Zeit hatten wir doch schon mal so einen Todeskandidaten. Das war auch in der Walpurgisnacht.«
»Der reinste Selbstmörder«, setzte eine zweite Stimme hinzu. Mit scharfem S. Wahrscheinlich Italiener. Na ja, heutzutage nahmen sie jeden bei der Polizei. »Frage mich nur, was er in dem Kofferraum transportiert hat. Alles voller Blut, Madonna ...«
»Wir werden es bald erfahren«, erwiderte der erste Polizist. »Der Doc sagt, dass er gute Chancen hat, durchzukommen.«
»Aber was ist er gerast hier? Weißt du, wie wir Italiener sagen, wenn wir von diese Gegend sprechen?
A Casa del diavolo!
«
»Sag’s doch gleich: Am Arsch der Welt!«, erwiderte sein Kollege.
Während ich die beiden über mein Schicksal debattieren hörte, lächelte ich grimmig. Ihr werdet nie erfahren, wo ich meine Frau entsorgt habe, dachte ich zufrieden. Ich musste an die Worte des Grauhaarigen auf der Toilette denken. Die Eifel war nicht nur der schönste Arsch der Welt, sondern ihre Maare waren auch die tiefsten der Welt. Dort hatte ich sie versenkt. Im tiefsten Arsch der Welt.
Eine Leiche zum Riesling
von C ARSTEN S EBASTIAN H ENN
Ulrike stocherte lustlos in ihrem gemischten Friséesalat mit MoselAal. Dabei war er knackfrisch, der Fisch zuckte fast noch.
»Schmeckt es dir, Liebes?«, fragte Ulrich Klönke dennoch hoffnungsvoll. »Das ist einer der großen Klassiker hier.« Er hob die Arme, um das Reich zu zeigen, welches er ihr zu Füßen legte. Aus der großen Fensterfront konnten sie einen Teil der Bremmer Moselschleife bewundern, und mit dem Calmont gar den steilsten Weinberg Europas.
Der Blick seiner Ulrike ging jedoch in den Raum, welcher im Glanz der vergoldeten Kronleuchter, der silbernen Teller und des Schmucks der anwesenden Damen erstrahlte. Ulrikes Miene verfinsterte sich.
Ulrich legte seine Hand zärtlich auf ihre. »Schau, wie festlich alle gekleidet sind! Ist das nicht richtig schön.« Er blickte ihr tief in die Augen. »Ich … liebe dich.«
Ulrike Klönke lief puterrot an, die Äderchen auf ihren Schläfen traten hervor, als würden sie gleich
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