Berndorf, Jacques (Hrsg)
ans Ufer. Dann stand er keuchend über dem toten Körper. Das Messer zog seinen Blick magisch an. Er ging näher heran. Ungläubig starrte er auf den Holzgriff, auf dem seine – Theos – Initialen eingeritzt waren. Kein Zweifel, es war sein eigenes Fischmesser, das in des Försters Brust steckte.
Scheißendreck, dachte er. Schweiß drang ihm plötzlich aus allen Poren, kälter als der Nebel, kälter selbst als das eisige Rurwasser. Seine Gedanken überschlugen sich. Klar, er hatte das Messer heute früh nicht gefunden, hatte ein anderes einstecken müssen. Nun war klar, dass er es nicht verlegt hatte. Wäre auch nicht seine Art gewesen, alle Angelsachen lagen immer gut sortiert im Keller beieinander. Das wusste aber auch jeder, der ihn kannte. Jemand hatte also das Messer genommen und den Förster damit abgestochen. Jemand, der ihm das Ganze in die Schuhe schieben wollte. War ja wohl auch zu einfach. Mit ihm konnte man das ja machen.
Theo schnaubte wütend. Gut, das er den Mattes jetzt am Haken hatte. Mit zittrigen Fingern berührte er sein Messer. Er sah sich um. Niemand zu sehen. Warum auch um diese Zeit? Das Zittern seiner Hand wurde stärker. Dann gab er sich einen Ruck, packte das Heft mit aller Kraft und zog das Messer aus des Försters Brust. Mit einem leisen Schmatzen gab das tote, kalte Fleisch die scharfe Klinge frei. Theo schauderte. Er fror plötzlich. Ungläubig starrte er auf die schmale Schneide. Es war kaum Blut daran. Theo hielt das Messer einer plötzlichen Eingebung folgend ins Wasser und wedelte heftig darin herum. Dann betrachtete er die saubere Klinge zufrieden, wischte sie mit dem Fischtuch nochmals ab und legte das Messer in seine Tasche.
Er blickte nachdenklich auf den Toten. Was mach ich nur mit dir, du Blödmann, dachte er. Und als wenn der Mattes geantwortet hätte, fasste Theo den Entschluss, den Förster wieder ins Wasser zurückzugeben. Er beherrschte sein Grauen, packte die Leiche und zog sie in den Fluss. Das Zittern seiner Hände wurde wieder stärker. Sein Blick fiel auf den Haken, der immer noch im Hals des Toten steckte. Auch der Regenwurm war noch dran. Er versuchte ihn zu packen und zu entfernen. Doch das Zittern seiner Finger war einfach zu stark. Die Schnur, die sich um den Hals gewickelt hatte, führte immer noch zu seiner Angel, die jetzt am Ufer lag. Theo merkte, wie durcheinander er war. Er nahm sein Ersatzmesser aus der Hosentasche und durchschnitt die Angelschnur. Dann ging er mit seiner leblosen Fracht weiter in die Rur hinein. Als sein Blick auf die Biberburg fiel, hielt er es für einen rettenden Einfall, den Förster dort zu deponieren. Er watete bis an die Tierbehausung und drückte die Leiche dort unter Wasser. Den Rest der Angelschnur verknotete er an einem Ast. So, hier kannste überwintern, dachte Theo und machte sich schleunigst auf den Rückweg zum Ufer.
Als er seine Sachen eingepackt hatte, warf er nochmals einen Blick über den Fluss hin zur Biberburg. Mittlerweile war es hell geworden. Das Wasser gluckste friedlich in Richtung Abenden davon. Kein Biber ließ sich sehen. Auch die Wasseramsel und der Eisvogel hatten das Feld geräumt. Theo entledigte sich seiner Anglerstiefel, packte alles in seine große Tasche und setzte sich aufs Rad. Es waren nur wenige Minuten bis nach Blens. Zuhause angekommen, trank er einen Schnaps, dann noch einen und schlich sich ins Bett. Karola schlief tief und fest, hatte offenbar weder seinen Aufbruch noch die Rückkehr bemerkt. Theo drehte sich auf die Seite, schloss die Augen und zwang sich, sie nicht wieder zu öffnen. Noch eine lange Zeit sah er das bleiche Gesicht des toten Försters vor seinem geistigen Auge, dann jedoch tat irgendwann der Schnaps seine Wirkung. Theo schlief ein.
Die nächsten Tage vergingen, als sei nichts geschehen. Zwar vermisste man den Mattes, jedoch schien dies kein großes Thema im Dorf zu sein. Theo hatte schon begonnen, die Geschichte langsam zu verdrängen, als ihn ungewohnte Geräusche beim Frühstück störten. Es klingelte, Karola ging hinaus und sprach vor dem Haus mit jemandem, dessen Stimme er nicht zuordnen konnte. Er trank seinen Kaffee aus und trat an die Tür. Ein Polizeiwagen stand auf der Straße. Karola unterhielt sich mit einem uniformierten Polizisten und einem weiteren Mann, der in Zivilkleidung dastand. Theo war aber sicher, dass es sich bei diesem Mann ebenfalls um einen Polizisten handelte.
»Was gibt’s?«, fragte Theo.
Karola drehte sich halb zu ihm hin und
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