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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 2
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nicht viel fragen, aber horrende Zinsen verlangen. Meine Hausbank spielt schon längst nicht mehr mit. »Nehmen Sie doch endlich mal Vernunft an«, hatte die Sachbearbeiterin gesagt. Als ob Leidenschaft vernünftig sein könnte!
    Am Abend nach dem Münzkauf warf ich nach dem Duschen einen Blick in den Badezimmerspiegel, und es verschlug mir den Atem, als ich der wahrhaft imperialen Gestalt ansichtig wurde, die mir dort entgegentrat. Ich wischte das Kondenswasser vom Spiegel und setzte meine Brille auf, aber der Eindruck ließ sich nicht verwischen: Das Badetuch sah aus wie eine Toga, die streng und feucht an den Schädel geklebte Lockenfülle glich der Frisur des Kaiserprofils aufs Haar, und dass meine Pantoffel in einem Purpurrot strahlten, welches in der Antike allein dem Kaiser vorbehalten blieb, war nur das i-Tüpfelchen für den majestätischen Gesamteindruck. Ich grüßte mein Spiegelbild würdevoll und schritt mit gemessenen Bewegungen ins Schlafzimmer. Dort blieb ich ahnungslos bis nachts um zwei.
    Dann, wie ein Blitzstrahl Jupiters, der mir den Schädel spaltete, durchfuhr mich die Erkenntnis. Ich tastete mit zitternden Fingern nach dem Lichtschalter, kramte die Lupe hervor, riss die Schublade auf. Und tatsächlich: Keine Münze wies die typischen strahlenförmigen Kerben auf, wie sie beim Prägen auf antiken Münzstöcken zustande kamen. Auch waren das Profil des sorgsam frisierten Kaisers seltsam flau und die Münzränder abgefeilt – gängige Artefakte bei gefälschten, antiken Münzen. Auch die Patina schien mir auf einmal nicht echt zu sein.
    »Stupidus – Idiot«, beschimpfte ich mich. Aber wen konnte ich um Rat fragen? Etwa den Direktor des Rheinischen Landesmuseums? Die Polizei?
    Als der Morgen graute, stellte ich mich den Tatsachen: Ich war insolvent, kriminell und – was das Schlimmste war – blamiert bis auf die Knochen. Nach dieser Kränkung, welche die Grundfesten meiner Existenz erschütterte, blieb nur die
ultima ratio
– der letzte Lösungsweg.
    Zuerst dachte ich an den Klassiker: Schierlingssaft mit Opium. Aber es ist schwer, an diese Drogen heranzukommen, und sie schmecken bitter, was eine heimliche Beibringung erschwert. Das wichtigste Gegenargument fand ich jedoch in einem alten Text, in dem es hieß, dass
Opium den Todesschrecken fernhält, indem es den Tod mit dem Schlaf vermählt und allen Nöten ein stilles Ende bereitet
. Ein sanftes Ende war jedoch das Letzte, was ich meinen Opfern wünschte.
Cui bono?
– Wem gereicht es zum Vorteil? Nur die bewusst ausgestandene Todesqual der Opfer konnte meine Rachegelüste befriedigen. Also der Extrakt aus der Wurzel des Eisenhutes. Randvoll mit Aconit. In der Antike ein so verbreitetes Mordgift, dass Eisenhut in Privatgärten zeitweise gesetzlich verboten war.
    Diese Pläne klingen vielleicht ungewöhnlich, und nichts liegt mir ferner als eine billige Rechtfertigung. Nur so viel: Nach meiner Einschätzung befanden wir uns durchaus in einer
Win-win
-Situation – um einen Ausdruck zu benutzen, für den ich keine lateinische Übersetzung kenne. Ich erlöste diese schändlichen Existenzen aus ihren verfehlten Leben – welchen Sinn hat Archäologie, die nur um des schnöden Mammons willen betrieben wird? Niemals wird diese Plebs ein Verständnis für die ausgeklügelten Raffinessen antiker Lebensart haben – es schmeichelte mir, ihnen in der persönlichen Entwicklung weiterzuhelfen, zumindest was die
ars moriendi
– die Kunst des Sterbens anbelangte. Mein Gewinn sollte subtilerer Art sein: der Genuss einer Rache, die nicht nur im simplen Töten der Opfer bestand, sondern in deren bewusst ausgestandener Todesangst. Sie sollten wissen, dass sie
Morituri
waren – Todgeweihte allesamt. Die Qual ihrer Ungewissheit war Teil meiner Rache.
    Man musste nur Geduld haben, dem Opfer auf den Fersen bleiben. Irgendwann muss in einer Kneipe jeder mal aufs Klo und lässt gedankenlos das Bierglas stehen. Es waren nur wenige Milliliter notwendig.
    Der Tod erfolgte bei vollem Bewusstsein durch Atemlähmung.
    Homo homini lupus est
– der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Zwei hatte ich schnell erledigt. Aber niemand erkannte, dass diesen Auslöschungen ein Konzept zugrunde lag. Und als ich nach Wochen den dubiosen Mittelsmann erwischte, hinterließ ich eine Signatur: zwei Goldsolidi, die ich dem Opfer tief in den Rachen stopfte. Endlich kam es zu den ersehnten Schlagzeilen. Ich hatte einige nette Abende, an denen ich mir die Angst der zukünftigen Opfer

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