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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 2
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lassen Sie‘s sein: Ich weiß nur zu gut, wozu Menschen imstande sind, wenn es darum geht, Nebenbuhler auszuschalten. Tut mir leid, mein Junge. Und jetzt ab.«
    Theo warf noch einen letzten Blick auf Ehefrau und Bruder, bevor man seinen Kopf in die Türöffnung des Wagens drückte. Und durch einen Schleier von Verzweiflung und hervorquellenden Tränen glaubte er zu sehen, wie Karola, als die Polizisten ihr den Rücken zudrehten, ihm zum Abschied ein hämisches Grinsen schenkte. Und bevor sich die Tür des Wagens schloss, rief sie ihm noch zu: »Ich hab‘s dir immer gesagt, Theo: Der Hellste warst du nie!«
    Als sich der Wagen in Bewegung setzte, glaubte Theo ihr zum ersten Mal.

Siebenundvierzig
    von A LEXANDER K UFFNER
    Am Tag hatte er sich oft selber ertappt. Immer wieder dann, wenn der saure Geruch von abgestandenem Bier und kaltem Zigarettenrauch ihn einnebelte, während er den Dreck auf den mit zahllosen Brandlöchern gemusterten Holzplanken zu seinen Füßen zusammenkehrte, maß er irgendwann verstohlen den Raum ab. Eigentlich wollte er es nie. Aber dann ging er doch wieder mit zählenden Schritten durch das milchig hereinscheinende Tageslicht von seiner Stammecke aus los. Hinüber an das andere Ende des Saals. Dorthin, wo sonst immer einer der Lautsprechertürme stand. Und sie. Dorthin, wo sie schon so oft ihre Haare zu den stampfenden Beats zurückgeworfen hatte. Wo ihr erhitztes Gesicht seines nie fand. Es waren nur siebenundvierzig Schritte, zirka. Bei Tag betrachtet ein Witz. Aber wenn hunderte dampfende Körper den Raum füllten, wenn das Gelächter, die Gespräche und die besten Hits aus den Achtzigern, Neunzigern und von heute an den Ohren zerrten, dann war es ein Marsch. Bestimmt so weit wie der Jakobsweg. Von dem hatte er einmal in einer weggeworfenen Zeitung an der Bushaltestelle gelesen. Oh ja, lesen konnte er. Rechnen auch. Und er konnte arbeiten. Aber das interessierte niemanden. Außer seinem alten Herrn. Wen sollte es auch sonst interessieren? Seine Mutter war schon länger tot. Krebs. Geschwister hatte er nicht. Und die Saufkumpane, die er an einer Hand abzählen konnte, mochte er nicht als Freunde zählen.
    Irgendwann würde er einmal den Hof übernehmen, wenn es dann noch etwas zu übernehmen gab. Denn der Alte verdiente bereits jetzt fast mehr mit der Vermietung des Saals als durch das Vieh. Gut dreihundert Leute passten da rein. Er war dem Hof angeschlossen und früher die einzige Dorfkneipe mit Tanzsaal gewesen. Bis alle aus dem Dorf abgehauen, weggestorben oder einfach nicht mehr gekommen waren.
    Nur mit Mühe hatte seine Mutter den Alten damals überreden können, ihn wenigstens die Hauptschule abschließen zu lassen. Dass er dieses Ziel, trotz zweier Ehrenrunden, vor fünf Jahren doch nicht erreicht hatte, war der vielen Arbeit zu verdanken gewesen. Seitdem war er aus Pingscheidt nicht mehr weggekommen. Seitdem hatte er sich damit abgefunden, für immer hier in der Eifel festzuhängen. Seine persönliche Welt, die er täglich hinter Brillengläsern dick wie Flaschenböden an sich vorbeiziehen sah, bestand aus nicht viel mehr als seinem saufenden Vater, Kühen, Melkmaschinen und schmutziger Wäsche.
    Aber seit knapp einem Jahr, seit »DJ Mic« ihren alten Saal alle vierzehn Tage in eine richtige Diskothek verwandelte, seitdem hatte er einen weiteren Lebensinhalt. Während einer der zahlreichen
Ein Euro-, Mallorca
- und
Ü30-Partys
hatte er sie irgendwann entdeckt. Von seiner Stammecke aus, hinten links, an der Theke. Hin und wieder musste er der Bedienung einige Kästen anreichen. Ansonsten gehörten diese Abende immer ihm. Ihm, ihr und seinen Phantasien. Seit er sich einmal nach acht Bier getraut hatte, Huppertz‘ Josef zu fragen, kannte er sogar ihren Namen. Susanne Lorscheid. Arzthelferin aus der Kreisstadt. Noch zu haben.
    Er erschrak. In die Vergangenheit versunken, war er auf die Scherben eines kaputten Glases getreten. Das Knacken riss ihn aus seinen Gedanken. Es war heiß und muffig. Der Schweiß floss ihm in den Nacken. Monoton durch seine Hand geführt, wirbelte der Besen den Dreck der vergangenen Nacht auf. Wer konnte schon wissen, wann die zusammengefegten Kronkorken vor seinen Füßen gestern Abend von den Flaschen gerissen worden waren? Vorher oder nachher? Stammten sie noch aus der guten alten Zeit, als alles in Ordnung war? Oder waren sie erst nach ein Uhr auf die uralten Holzdielen gefallen, als alles schon seinen Lauf genommen hatte?
    Dieser schöngeföhnte Idiot! Er

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