Berndorf, Jacques (Hrsg)
ausmalte. Ob es einer wagte, zur Polizei ging und Personenschutz bean-tragte? Das kam einer Selbstanzeige gleich. Die Strafen für Raubgrabungen waren nicht hoch – aber würde nicht jeder nach dem St.-Floriansprinzip verfahren und hoffen, dass es den anderen träfe? Ich aber hatte ihre Adressen.
Gestern habe ich dem letzten halbseidenen Hobbyarchäologen seine Münzen zurückerstattet. Der Medienrummel ist erheblich. Aber mein Job ist erledigt, und für mich zählt einzig dieses tiefe Gefühl innerer Befriedigung. Zur Feier des Tages kredenze ich mir ein gutes Tröpfchen in einem original römischen Trinkgefäß. In den Abendnachrichten die Direktübertragung einer Pressekonferenz aus dem Landeskriminalamt. Sie zeigen die in den Leichen gefundenen Münzen in Großaufnahme. Ein kurzes Stechen durchzuckt meine Brust. Ich sinke aufs Sofa.
Bruchstückhaft die Worte des Kriminaltechnikers: »Nach Atomabsorptionsverfahren Legierung analysiert ... steht nun fest, welcher Epoche zuzuordnen.«
Wider Willen interessiert mich das Geschwafel doch. Ich beuge mich vor, nippe am Wein.
»Es handelt sich um eine wertvolle Rarität: Fälschungen aus der Renaissance, von denen es weltweit nicht mehr als zehn geben dürfte. Der Wert ist schwierig zu schätzen, dürfte sich aber pro Münze auf neunzigtausend Euro belaufen. Selbstverständlich geben wir die Münzen an das Rheinische Landesmuseum in Trier. Es sollte sich bei der Platzierung im Schlund der Opfer wohl um eine Botschaft handeln. Allerdings ist es unverständlich, warum der Täter solche Werte einfach fortwirft.«
Das Gefäß entgleitet meinen Händen, und der Wein versickert im samtigen Purpurrot meiner Pantoffeln. Ob diese plötzliche Schwäche es mir erlauben wird, noch einmal aufzustehen? In der Jackentasche steckt das Fläschchen, das ich wochenlang immer bei mir getragen habe. Ein Rest der wasserklaren Flüssigkeit ist noch darin.
Nunc est bibendum
. – Nun muss getrunken werden!
1
Allmächtiger Jupiter
,
heiße das kühn Begonnene gut
.
Am Haken
von G UIDO M. B REUER
Die Nacht war sehr dunkel gewesen. Theo hatte nicht schlafen können, wie fast immer bei Neumond. Dichte Nebelschwaden lagen wie feuchte Watte im Rurtal. Das erste Licht des kühlen Herbstmorgens gab sich noch keine Mühe, den Nebel zu durchdringen. Der Fluss plätscherte schwarz dahin. Das Wasser gluckste leise, während es Theos hohe Anglerstiefel umfloss. Kalt war die Rur immer bei Blens, doch an einem solchen Morgen spürte man es besonders, dass das Wasser von Monschau bis hierhin immer im Schatten der vielen Bäume rasch lief und keine Wärme aufnahm.
Theo nahm einen großen Regenwurm aus seiner Tasche. Er führte ihn zum Haken und spießte den fetten Wurm auf. Theo wusste, der alte Räuber würde diesen Wurm lieben, der sich ringelnde Köder würde den Fisch magisch anziehen, gierig wie er war. Doch er würde auch vorsichtig sein, verschlagen und abwartend. Theo hatte die Stelle mit Bedacht gewählt. Hier machte die Rur eine große Biegung, floss ruhiger, langsamer als sonst und bildete in Ufernähe fast stehendes Gewässer.
Hier lebte der alte Hecht. Niemand wusste das. Keiner der Angler, die viel Geld ausgaben, um an einem Stück Fluss legitim ihrer faden Beschäftigung nachgehen zu dürfen. Nichts als Forellen fingen sie. Fließendes Gewässer, Forellen und nichts als Forellen. Dummköpfe allesamt. Auch der Förster Mattes, der sich als Oberaufseher aufspielte und der Theo schon mehrmals erwischt hatte. Strafe hatte er schon zahlen müssen. Der meinte wirklich, Theo würde hier schwarz angeln, nur um ein paar Forellen für lau zu bekommen. Der Förster hatte dafür in der Blenser Bauernstube am Freitagabend auch schon mit einem ausgeschlagenen Schneidezahn büßen müssen.
Theo grinste. Keiner wusste, dass es hier einen kapitalen Hecht gab. Er warf die Angel aus, mitten in die Strömung. Der Köder trieb abwärts. Dort, in der Mitte des Flusses, stand der alte Hecht bestimmt nicht. Doch nun zog Theo den Köder in Richtung des stehenden Uferwassers, dort wo ein in die Rur gestürzter Baum die Strömung blockierte. Wenn der Köder in das ruhige Wasser trieb, war dies der Punkt, an dem der gierige Räuber aufmerksam werden musste. Nur die ringelnde Bewegung des Wurms und Theos Geduld sollten den Hecht bezwingen, kein Blinker, keine Technik. Ein fairer Zweikampf im Morgengrauen.
Der kalte Nebel wollte sich nicht lichten. Es wurde etwas heller. Theo konnte schemenhaft hinter den
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