Bernie und Chet
Bewegung ihrer Lippen sehen konnte, jede Regung in ihrem Gesicht.
Sie zerrte ein Blatt Papier aus der Tasche, hielt es ihm hin.
»W as ist das?«, fragte er.
»E in Brief von der Schule offensichtlich.«
Bernie starrte den Brief an, seine Augen wanderten darüber. »D er Scheck fürs Schulgeld?«, fragte er. »A ber ich bin sicher, dass noch genug Geld auf dem Konto war. Ich habe sogar …«
Leda entriss ihm den Brief wieder. »M ach dir keine Gedanken – Malcolm hat sich darum gekümmert.«
Malcolm war ihr Freund. Ich hatte ihn bloß einmal gesehen. Er trug Flip-Flops und hatte lange knochige Füße und lange knochige Zehen.
»D as heißt, du schuldest ihm Geld.«
»A ber ich verstehe nicht …«
Ich trabte zum Auto. Charlie öffnete die Tür. Ich sprang hoch, leckte ihm ausführlich das Gesicht.
»C het the Jet! Wie geht ’ s dir?«
Prima, war mir noch nie besser gegangen. Charlie streichelte meinen Rücken.
»H e, was ist das?« Er zupfte an meinem Fell. »D u hast eine Zecke.« Eine Zecke? Das hatte ich gar nicht gemerkt, aber jetzt spürte ich, wie er sie rausholte: ein leichtes Zwicken und dann ein winziges, geräuschloses Plopp, äußerst befriedigend. Charlie hielt die Zecke hoch, ein grässliches aufgedunsenes Ding. »W iderlich«, sagte er und warf sie in den Rinnstein.
Ein starker Luftzug wehte durch das Auto, sehr angenehm. Zuerst merkte ich gar nicht, dass er von meinem wild wedelnden Schwanz stammte. Charlie lachte. Das ist das schönste Geräusch, das Menschen machen, ohne Ausnahme, und das Lachen eines kleinen Menschen ist das allerschönste. Charlie hatte ein rundes Gesicht und eine lustige Mischung an Zähnen, manche groß, manche klein.
»I ch habe den Wagen gerade erst gesaugt.« Plötzlich stand Leda hinter mir.
»C het haart nicht«, sagte Charlie.
»A lle Hunde haaren.«
Ich sprang aus dem Auto. Leda sah mich wütend an. Wenn Leda auftauchte, war alles immer so hektisch. Das mit dem Haaren ist ein Riesenproblem, das weiß ich schon, aber Menschen haaren auch: Ständig fallen Haare und alles mögliche andere von ihnen runter, das können Sie mir glauben.
Bernie kam näher, den Morgenmantel fest um sich gewickelt.
»H i, Charlie.«
»H i, Dad.«
»E r kommt zu spät in die Schule«, sagte Leda.
»B is Samstag.«
»K önnen wir zelten gehen?«
»K lar, warum nicht?«
»W eil es fünfunddreißig Grad heiß werden soll«, sagte Leda. Sie stieg ein.
»W iedersehen.«
»W iedersehen.«
Da fuhren sie, die Sonne spiegelte sich in der Heckscheibe, Bernie winkte.
Bei all der Aufregung hatte ich gar nicht mitbekommen, dass noch ein Auto vor unserem Haus gehalten hatte. Eine Frau war ausgestiegen und beobachtete uns. Bernie drehte sich zu ihr um. »B ernie Little?«
»J a?«
»H i, ich bin Suzie Sanchez.« Sie kam näher, streckte die Hand aus. Bernie schüttelte sie, hielt dabei mit der anderen Hand seinen Morgenmantel zu und sah die Frau mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er hatte dunkle, kräftige Augenbrauen, die eine ganz eigene Sprache sprachen. »I ch komme von der Valley Tribune«, sagte sie. »I ch hoffe, ich habe mich nicht im Datum geirrt?«
»I m Datum?«
»E s geht um den Artikel, über den wir gesprochen haben – ein Tag im Leben eines Privatdetektivs im Valley. Lieutenant Stine vom Metro Police Department hat Sie empfohlen.«
»O h«, sagte Bernie. »S timmt, ja.« Hatte ich davon schon mal was gehört? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Bernie sah auf seine nackten Füße hinunter. »I ch bin ein bisschen spät dran, tut mir leid«, sagte er. »I nfolge … unvorhersehbarer Ereignisse. Bin gleich wieder da.«
Suzie Sanchez ’ Blick wanderte zur Straße, in die Richtung, in die Leda davongefahren war. »N ur keine Hektik. Ich habe den ganzen Tag Zeit.« Sie sah mich an. Ihre Augen leuchteten, dunkel und glänzend wie die Arbeitsplatte in unserer Küche. »W as für ein hübscher Hund! Ist das Ihrer?«
»D as ist Chet.«
»D arf ich ihn streicheln?«
»S ie wissen nicht, worauf Sie sich einlassen.«
Suzie Sanchez lachte, nicht ganz so nett wie Charlies Lachen, aber ziemlich nah dran. Sie kam herüber, hielt mir ihre Hand hin – sie roch nach Seife und Zitronen –, und dann kraulte sie mich zwischen den Ohren, wo es mich genau in dem Augenblick anfing zu jucken. Ah.
»M ag er einen Hundekeks?«
Mochte ich einen Hundekeks? Was war denn das für eine Frage? Sie griff in ihre Handtasche und zog einen in Form eines Knochens raus, Größe L.
»S ie
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