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Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Titel: Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Towarischtsch [16] .« Zum ersten Mal während des Verhörs, im Grunde sogar während seiner dreijährigen Haft, spiegelte sich so etwas wie Furcht in Erich Kochs Gesicht. Weniger deshalb, weil der Unbekannte neben der Tür urplötzlich das Wort ergriff, sondern aufgrund des Tonfalls, mit dem dies geschah. Einer Stimme, die selbst dem abgebrühtesten Häftling Furcht und Respekt eingeflößt hätte.
    Und das mit nur zwei Wörtern.
    »Vollkommen korrekt.«
    Ohne dass er sich dagegen wehren konnte, war Kochs Arroganz urplötzlich verpufft. Sein Instinkt sagte ihm, dass das Verhör durch den UB-Beamten lediglich ein Vorgeplänkel gewesen war, und so war er instinktiv auf der Hut.
    Die Reaktion des Schattenmannes ließ nicht auf sich warten. »Na also«, heuchelte er erleichtert und stieß sich mit an Trägheit grenzender Lässigkeit vom Türbalken ab. »Wurde aber auch Zeit.«
    »So glauben Sie mir doch, verdammt noch mal!«, beschwor Koch den muskulösen, sich nahezu lautlos auf ihn zubewegenden Anzugträger mit unverkennbar russischem Akzent. »Ich …«
    Im Verlauf seiner Haft und insbesondere während des Krieges hatte Erich Koch alle nur erdenklichen Arten von Verletzten und Getöteten zu Gesicht bekommen. Nahe gegangen war ihm dies nicht. Im Falle des durchtrainierten, über 40 Jahre alten Russen, dessen komplette linke Gesichtshälfte durch eine hässliche Brandwunde entstellt war, verhielt es sich jedoch anders. Er hatte etwas an sich, das ihn zu einem willenlosen Befehlsempfänger degradierte, nicht etwa nur wegen seines Gesichts oder der Klappe, hinter der er sein linkes Auge verbarg. Nein, dieser Schlägertyp war anders, auf eine Art, die schwer in Worte zu kleiden war. Abgesehen von seiner Brandwunde, die seinen Kontrahenten automatisch das Fürchten lehrte, waren es vor allem sein penibel zurechtgestutzter Bürstenschnitt, das rötliche Haar und die pockennarbige Haut, die den muskelbepackten Hünen geradezu unverwechselbar machten. Verstärkt wurde Kochs Eindruck durch dessen Tonfall, mitunter sarkastisch, ab und an einschüchternd und rau. Eine Stimme, die sich jedem, insbesondere Koch, auf Anhieb einprägte. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo sich das Zimmer …«
    »Genug.« Mit einem Lächeln im blutleeren Gesicht, aus dem das nahezu wimpernlose, wie erstarrt wirkende rechte Auge besonders hervorstach, hatte der Fremde neben Koch Position bezogen und richtete den Blick auf die gegenüberliegende Wand. Als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt, bot er dem polnischen Geheimdienstoffizier daraufhin die Fläche der Hartgummiprothese dar, welche seine rechte Hand ersetzte. »Ihre Waffe, Genosse!«, forderte er seinen polnischen Kollegen auf, die Stimme, in der ein Hauch von Unmut mitschwang, deutlich erhoben.
    Der Beamte des polnischen Staatssicherheitsdienstes stutzte, tat jedoch, was von ihm verlangt wurde und zog eine Tokarew Kaliber 9,2 mal 18 Millimeter aus dem Halfter unter seinem Jackett hervor. »Hier Ge…«, begann er, ein leichtes Stirnrunzeln auf dem verdutzten Gesicht.
    Genug Zeit, sein Unbehagen zum Ausdruck zu bringen, hatte Guzik indes nicht. Denn kaum lag die Waffe in seiner Hand, riss der Unbekannte die Tokarew empor, zielte mit der Linken auf die Stirn des UB-Offiziers und jagte ihm eine Kugel durch den Kopf. Immer noch das gleiche, durch den jähen Tod wie eingefroren wirkende Stirnrunzeln im Gesicht, verharrte der polnische Leutnant zunächst auf der Stelle.
    Dann beschrieb er einen Halbkreis und brach mit ersticktem Gurgeln zusammen.
    All das war so schnell gegangen, dass Koch zunächst dachte, er habe geträumt. Den Mund halb offen, wandte er sich ruckartig um, den Blick wechselweise dem Toten und seinem Henker zugewandt. Während all der Jahre, in denen er sich als Kriegsverbrecher betätigt hatte, war ihm so etwas nicht untergekommen. Erst als er die Blutspritzer an der Wand registrierte, wusste er, dass die Exekution des Polen keine Einbildung gewesen war.
    Erich Koch war sprachlos. Und das wollte bei einem wie ihm etwas heißen.
    So schnell würde der einstmals wortgewandte Parteibonze die Sprache auch nicht wiederfinden. Dafür sorgte allein der Lauf der Tokarew, den er plötzlich an seiner Stirn spürte. Und die Stimme, mit der die nun folgenden Worte untermalt waren: »Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle«, hallte sie von den schalldichten Wänden wider, »mein Name ist Kirow, Igor Kirow.« Der Fremde pausierte, fuhr mit der Zungenspitze über die Oberlippe

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