Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
nicht aus.«
»So einfach, wie Sie sich das denken, liegen die Dinge leider nicht«, setzte sich Grant vehement zur Wehr. »Wie gesagt – aus naheliegenden Gründen ist mein Kontaktmann gezwungen, mit äußerster Vorsicht zu Werke zu gehen. Der geringste Fehler, und seine Tarnung fliegt auf.« Grant öffnete den Kragenknopf seines Designerhemdes und holte tief Luft. »Wollen Sie das etwa riskieren, Mister K?«
»Wenn Sie mich so fragen, Grant – ja. Hauptsache, wir finden das Versteck.«
»Einmal angenommen, dem wäre so. Was hat ein todkranker Mann davon, wenn er in den Besitz des …«
»… Bernsteinzimmers gelangt? Ganz einfach: die Genugtuung, eines der kostbarsten, wenn nicht sogar das kostbarste Kunstwerk in seinem Besitz zu wissen, welches menschliche Hände je erschaffen haben. Soll ich Ihnen was sagen, Greg? Seit meiner Jugend, der Zeit, in der mein Leben noch nicht von der Funktionstüchtigkeit diverser Maschinen abhing, habe ich davon geträumt, es zu erwerben. Mir vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn ich in seinen Besitz gelangte. Vielleicht können Sie das nicht verstehen, Greg, aber es ist so, war so und wird auch immer so sein. Zumindest, solange ich lebe.« Als könne er die Gedankengänge seines Gesprächspartners erraten, fügte der Anrufer, in dessen Händen sich mehr Kunstschätze befanden als in manchem Museum, mit heiserer Stimme an: »Schön und gut, werden Sie sagen, der alte Knacker hat nicht mehr lange zu leben. Wozu also die ganze Aufregung?« Nachdem ein weiterer, ungleich schlimmerer Hustenanfall verebbt war, gab sich Grants Peiniger einen Ruck und flüsterte: »Es ist der letzte Wunsch, den ich auf diesem Scheißplaneten habe. Nur ein Blick auf dieses Wunderwerk, und ich kann getrost sterben.«
»Und dann? Gesetzt den Fall, unsere Suchaktion wäre erfolgreich, was soll aus dem …«
»Das, mein lieber Greg, lassen Sie lieber meine Sorge sein«, erklärte der Anrufer von oben herab, keineswegs so kraftlos, wie man es sich bei einem Todgeweihten vorstellen würde. »Über Dinge, die einen nichts angehen, sollte man sich keine Gedanken machen.« In der Leitung begann es laut zu knistern, und ein durchdringender Pfeifton ließ Grant zusammenzucken. Den Hörer in der rechten Hand, saß er da wie gelähmt, und als er die Muschel wieder ans Ohr presste, war der Mann, dem er auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war, mit seiner Lektion in Sachen Gefügigkeit fast am Ende. Die Pointe, mit deren Hilfe er sie zu krönen gedachte, stand freilich noch aus: »Ach, noch eins, Greg –«, zischte er, während Grant die Linke zur Faust ballte, »sollten Sie die Dummheit begehen, sich meinen Plänen zu widersetzen, wäre dies ein Grund für mich, wider Willen andere Saiten aufzuziehen. Haben wir uns verstanden, Deputy Director?«
»Und Ihre Gegenleistung?«, fragte Grant, bebend vor Zorn.
Ein Lachen erklang, wie es schauerlicher nicht hätte sein können. »Besteht darin, dass Ihr süßes kleines Geheimnis bestens bei mir aufgehoben ist. Falls Sie verstehen, was ich meine.«
Und ob er verstand.
»Ich gebe Ihnen exakt einen Tag, zwei Stunden und zehn Minuten Zeit, das heißt, bis morgen Abend um sechs. Dann will ich Fakten sehen. Spuren. Greifbare Ergebnisse. Für den Fall, dass Sie bis dahin noch nichts zuwege gebracht haben, müssen Sie mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Greg?«
Klar doch, deutlicher ging es wirklich nicht.
»Dann bis morgen, Deputy Director.«
Fünf Minuten später, als Mister K längst aufgelegt hatte, war Gregory Boynton Grant, anerkanntes Mitglied des Jetsets von Hyannis Port und Bankrotteur in großem Stil, immer noch wie erstarrt. Erst das viermalige Schlagen der Standuhr, passend zum übrigen Mobiliar ebenfalls im Empire-Stil, rüttelte den am Boden zerstörten Beau wach. Fernes, aus südöstlicher Richtung heranrollendes Donnergrollen erfüllte die Luft, und als Grant aus dem Fenster schaute, hingen pechschwarze Wolken über dem sturmgepeitschten Meer. Die Stirn gegen das Fensterkreuz gepresst, konnte er sich von dem Unwetter, das sich über Cape Cod zusammenbraute, einfach nicht abwenden, nicht einmal, als er plötzlich eine Hand auf der Schulter spürte.
»Besser spät als nie«, flüsterte er, den Duft von Eau de Toilette in der Nase, natürlich von Chanel. »Ich dachte schon, du … du …«
»Ja?«, raunte ihm die Stimme ins Ohr, die ihn seit jeher in ihren Bann gezogen und mitunter sogar völlig willenlos gemacht
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