Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
murmelte Guzik beim Durchforsten der Akten, aus denen er sich die umfangreichste heraussuchte. »Bevor das zuständige Gericht mit hoher Wahrscheinlichkeit Ihrem Wunsch Folge leisten wird, hätte ich da noch ein paar Fragen.«
»Wenn, dann aber bitte nicht immer die gleichen.«
Nach außen hin betont sachlich, innerlich jedoch schäumend vor Wut, schob der polnische Geheimdienstoffizier den Aktenstapel beiseite und nahm sich die etwa zwei Dutzend Seiten umfassende Kladde mit der Aufschrift ›Bursztynowa Komnata – s ci sl e tajne!‹ [15] vor. »Ihr Problem, wenn Sie nicht mit offenen Karten spielen, Koch.«
»Warum sollte ich?«
»Vielleicht, um quasi in allerletzter Minute noch den Kopf aus der Schlinge zu ziehen«, erwiderte Guzik, kurz davor, endgültig die Geduld zu verlieren. Und vollendete: »Um beim Bild von einer Hinrichtung durch den Strang zu bleiben.«
»Frage: Glauben Sie allen Ernstes, ich verrate Ihnen das Versteck des Bernsteinzimmers, wenn Sie mich dafür ein paar Tage später an die Wand stellen?«
»Tod durch Erschießen – eigentlich viel zu human.«
»Bitte etwas lauter, mit meinem Gehör steht es nicht zum Besten.«
»Schluss mit der Schmierenkomödie!«, stauchte Guzik den ehemaligen Gauleiter zusammen, sprang auf und umrundete den Tisch. »Zur Sache: Trifft es zu, dass Sie sich noch am 5. April, also vier Tage vor der Kapitulation von Königsberg, im Hof des dortigen Schlosses aufgehalten haben? Um sich der Tarnung halber über den Fortgang der Aufräumungsarbeiten zu informieren? In Wahrheit, Herr Reichsverteidigungskommissar, hatten Sie ja wohl etwas ganz anderes im Sinn. Nämlich das Bernsteinzimmer. Trifft dies zu – ja oder nein? Antworten Sie, Koch, oder haben Sie tatsächlich Tomaten auf den Ohren?«
In den abschätzigen Blick, mit dem Koch den verhassten UB-Offizier beäugte, kam Bewegung. Kurze Zeit später hatte sich Hitlers ehemaliger Statthalter in Ostpreußen wieder im Griff. »Immer wieder die alte Leier. Bis zum Erbrechen. Sagen Sie, haben Sie nicht vielleicht etwas Interessanteres auf …«
»Trifft es weiterhin zu, dass Sie bereits am 27. und 28. Januar, also gut zwei Monate vor der Eroberung Königsbergs durch die Rote Armee, Ihr bis dahin unweit der Stadt verstecktes Beutegut abtransportieren ließen?« Auf dem besten Wege, Koch an die Gurgel zu gehen, konnte sich Guzik gerade noch bremsen. »Alle Achtung, Herr Gauleiter. Was dem Vernehmen nach auf Ihrem Landgut gehortet worden war, konnte sich wahrhaftig sehen lassen: Gemälde von unschätzbarem Wert, hochwertige Gobelins, Tafelsilber, Kerzenleuchter und andere Preziosen, größtenteils aus Museen in Kiew oder von anderen Orten in der Sowjetunion. Groß-Friedrichsburg muss eine wahre Schatzkammer gewesen sein. Fragt sich nur, wohin der Hort nach dem Abtransport verschwunden ist.«
»Keine Ahnung.«
»Am 9. Februar wurde er durch Ihren Hausverwalter im Landesmuseum von Thüringen in Weimar abgeliefert – ja oder nein?«
Koch zuckte die Achseln. »Woher soll ich das wissen? Beim Endkampf um Königsberg musste ich schließlich meine ganze …«
»… Kraft einsetzen, ich weiß. Die alte Mär vom wackeren Reichsverteidigungskommissar, der die ostpreußische Muttererde bis zum letzten Atemzug verteidigt hat.« Guzik verzog das Gesicht und blätterte weiter. »Hier: ›Der ostpreußische Bauer und seine Familie verkrallen sich in ihre heimatliche Erde.‹ Originalton Erich Koch, der sich, wie inzwischen bekannt, an Bord des mit Flakgeschützen und Maschinengewehren ausgestatteten Eisbrechers Ostpreußen nach Norddeutschland abzusetzen geruhte, den auf einen gewissen Major Rolf Berger ausgestellten Wehrmachtsausweis im Gepäck. Pech, dass die Briten nicht lockergelassen und Sie vier Jahre später in der Nähe von Hamburg aufgespürt haben.« Auf dem glatt rasierten Gesicht des polnischen Geheimdienstoffiziers tauchte ein flüchtiges Lächeln auf. »Was uns beide zum eigentlichen Gegenstand dieser freundschaftlichen Unterhaltung bringt.«
»Und das nicht zum ersten Mal.«
»Stimmt. Und darum aufs Neue die Frage: an welchem Ort ist das Bernsteinzimmer …«
Ein heiseres, vor Überheblichkeit nur so strotzendes Lachen ließ den Redefluss des Geheimdienstlers jäh versiegen. »Korrigieren Sie mich«, fuhr Koch dazwischen, offenbar bester Laune. »Aber wäre die Jagd nach dem Bernsteinzimmer nicht Sache der Russen? Soweit ich informiert bin, gehört Königsberg inzwischen zur Sowjetunion.«
»Korrekt,
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