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Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Titel: Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Prototyp eines Impresarios aussah. Der sorgsam zurechtgestutzte d’Artagnan-Bart, so etwas wie sein Markenzeichen, trug in erheblichem Maße zu diesem Eindruck bei. »Noch irgendwelche Wünsche?«
    Die Reaktion bestand aus einem Achselzucken. »Nicht, dass ich wüsste«, erklärte Kempa lapidar, während sich seine Augenlider langsam senkten. »Könnte mir nicht besser gehen.«
    »Na schön, Kleiner«, gab sich der schlanke, mindestens einen Kopf größere Offizier im besonderen Einsatz [10] betont jovial, »ganz, wie du willst.«
    »Du sagst es, Professor.«
    Der Mundwinkel des knapp 39-jährigen Oberleutnants der Staatssicherheit zuckte nervös, und der konturlose, auf einem schlanken Hals ruhende Schädel bewegte sich ruckartig nach vorn. »Wenn du denkst, Genosse«, raunzte er den ehemaligen Kriegskameraden ohne Rücksicht auf den Stationsarzt an, »wenn du denkst, du kannst uns verarschen, hast du dich geschnitten.«
    »Tatsächlich?«
    »Was deine Absichten betrifft«, ergänzte der Stasi-Beamte von oben herab, hinter dessen gepflegter Erscheinung sich der gelernte Folterknecht verbarg, »sind wir nämlich bestens im Bilde, Benjamin.« Und kurz darauf, nach einem Blickwechsel mit dem Stationsarzt: »Ist dir eigentlich klar, dass du uns beiden viel Arbeit abnimmst?«
    »Keine Ahnung, wovon du sprichst, Kamerad.«
    »Und ob du sie hast!«, widersprach Kempas Widersacher, nach außen weiterhin um Contenance bemüht. »Genug Morphium, um einen Elefanten zu erledigen, und du kleiner Klugscheißer denkst, wir kriegen davon nichts mit. Dazu dieser dilettantische Plan. Ich hätte dich wirklich für klüger gehalten, Benjamin.« Der Stasi-Beamte richtete sich zu voller Größe auf und ließ den Blick über den Todgeweihten wandern. »Damit du Bescheid weißt: Der Fetzen Papier, mit dem du uns beide in Atem gehalten hast, befindet sich seit gestern Abend in unserer Hand.« Der Oberleutnant ließ seiner Häme freien Lauf. »Schachmatt, Genosse Ingenieur.«
    »Ich verstehe nicht, was …«
    Erst im letzten Moment, als sich der Blick des Oberleutnants in den seinen versenkte, begriff Benjamin Kempa, dass er sich verkalkuliert hatte. Durch den Körper des 33-Jährigen ging ein Ruck, und während er den Stasi-Offizier am Kragen packte, begann sich die Welt um ihn herum zu drehen. Seine Pupillen verengten sich, die Atmung sank zu einem kaum wahrnehmbaren Lüftchen herab. Das Gesicht zu einer Fratze des Entsetzens verzogen, ergab sich der Dresdener, welcher die letzten acht Jahre seines Lebens hinter Gittern zugebracht hatte, in sein Schicksal. Der Kampf mit seinem Widersacher, über den sich das blutrote Licht der Morgendämmerung ergoss, war unwiderruflich vorbei.
    Und er hatte ihn verloren.
    »Mach’s gut, Genosse!«, höhnte der Oberleutnant, schüttelte Kempa ab und wandte sich mit angewiderter Miene zur Tür, gefolgt vom Stationsarzt, der den Sterbenden keines Blickes würdigte.
    Kaum hatten die beiden seine Zelle verlassen, war Benjamin Kempa tot.
     
    *
     
    »Und was jetzt?«, fragte der Stationsarzt, ein Endfünfziger mit schlohweißem Haar, das die ideale Ergänzung zu seiner Montur darstellte. Alles an ihm war seriös, makellos, unauffällig: das Allerweltsgesicht, die mausgrauen, ans Farblose grenzenden Augen, der schmallippige Mund. Fast so unauffällig wie sein Gang, der ihm den Spitznamen ›Doktor Schleicher‹ beschert hatte. »Können Sie mir das vielleicht erklären?«
    »Ich fürchte, hier gibt es nichts zu erklären«, antwortete der Stasi-Offizier, offenbar bester Laune. »Es sei denn, wie man von hier aus am schnellsten nach draußen kommt.«
    »Durch die Tür«, zischte der Stationsarzt, mit den Gedanken noch immer beim toten Patienten von Zelle 5, und räumte ihm zähneknirschend den Vortritt ein. »Hier entlang.«
    »Zu gütig«, bedankte sich der Offizier im besonderen Einsatz, den Stationsarzt auf den Fersen, dem es plötzlich nicht schnell genug gehen konnte. Vor der Gittertür angekommen, welche die geschlossene Abteilung mit der Außenwelt verband, blieb er schließlich stehen und wartete, bis sein Lakai sie entriegelt, aufgeschlossen und geöffnet hatte. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Herr Doktor –«, flüsterte er dem Stationsarzt mit unbewegter Miene zu, den Türknauf in der feingliedrigen Hand, »sehen Sie zu, dass Sie Ihren unbequemen Patienten möglichst schnell loswerden.«
    »Und wie, wenn man fragen darf? Ich kann ihn nicht so ohne Weiteres verschwinden lassen. Und wenn wir

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