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Bernstein Verschwörung

Bernstein Verschwörung

Titel: Bernstein Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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jetzt
Bescheid - mach mit dem Wissen, was du willst, aber halt mich da
raus!«
    »Versprochen.«
Aufgeregt unterbrach Heike die Verbindung. Als sie das Telefon
wieder auf den Nachtschrank gelegt hatte, drehte sie sich zu Stefan
um. Er würde staunen.   
    Nein, bemerkte sie im
nächsten Augenblick. Er würde nicht staunen. Denn Stefan
war längst wieder eingeschlafen. Er lag friedlich neben ihr
und schnarchte leise. »Oh Mann, Stefan.« Heike
schüttelte den Kopf. Wie konnte er ausgerechnet jetzt
schlafen? Kurz war sie versucht, ihn aufzuwecken, doch sie
entschied sich dagegen. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen.
Hastig warf sie die Bettdecke zurück und schlüpfte
barfuß in den flauschigen Morgenmantel, der über dem
Stuhl hing. Sie vermied es, das Licht einzuschalten, und ging so
leise wie möglich in die Küche. Dort stand ihr Laptop. An
Schlaf war nach diesem Anruf nicht zu
denken.    
     
    Kaiserstraße,
1.10 Uhr
    In dieser Nacht fand
der alte Mann keinen Schlaf. Nachdem er sich stundenlang im Bett
herumgewälzt hatte, richtete er sich mit klopfendem Herzen
auf. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, das graue Haar
hing ihm wirr in die hohe Stirn. Die Luft in dem kleinen
Schlafzimmer mit der niedrigen Decke war stickig - und das, obwohl
das kleine Fenster auf Kipp stand. Seine Hand zitterte, als er im
Dunkel nach dem Schalter der Nachttischlampe tastete. Er
benötigte absolute Dunkelheit zum Schlafen, deshalb hatte er
sich lichtdichte Vorhänge im Schlafzimmer des kleinen
Fachwerkhauses anbringen lassen. Lärm störte ihn hingegen
nicht im Geringsten. So hörte er nicht einmal mehr die
Schwebebahn, die tagsüber nur wenige Meter von seinem Fenster
entfernt vorbeirumpelte. Im Krieg war er beim dumpfen Grollen der
Kanonen eingeschlafen. Dagegen war das durch die neuen Schienen
leise gewordene Quietschen der Bahn eine Wohltat für die Ohren
des alten Mannes. Vielleicht, so überlegte er im Bett sitzend,
war es auch hilfreich, dass sein Gehör in den letzten Jahren
nachgelassen hatte.
    Nachdem er den
Schalter der kleinen Lampe gefunden und betätigt hatte,
blinzelte er in den Lichtkegel. Er kniff die Augen zusammen, doch
ohne Brille konnte er die Uhrzeit auf dem Zifferblatt seines
Weckers nur erahnen. Die Brille lag neben dem eisernen Fuß
der Lampe. Er angelte danach und setzte sie sich auf. Als er sah,
wie spät es war, kam ein Stöhnen über seine
spröden Lippen. Doch es nutzte nichts. Die Gedanken fuhren
Karussell in seinem Kopf. Als er anfangs vom Dämmerzustand in
einen leichten Schlaf hinübergeglitten war, hatte er das
Krachen der Kanonen gehört, hatte geglaubt, den Pulverduft
riechen zu können. Und er hatte den Schmerz seiner Wunden
gespürt. So wie damals.
    In den letzten Tagen
hatte ihn seine Vergangenheit immer wieder eingeholt. Bald, so war
er sicher, würde sie ihn überrennen, wenn er nicht etwas
unternahm. Und dass er schon seit zwei Tagen nichts von dem Jungen
gehört hatte, machte ihm große Sorgen. Vielleicht war es
falsch gewesen, ihm zu trauen. Doch es gab kein Zurück mehr.
Er spürte wieder diesen Stich in der Brust. Seit Tagen
verfolgte ihn dieser Schmerz, und er wusste ganz genau, was das zu
bedeuten hatte. Doch er ging nicht zum Arzt. Nicht jetzt. Nicht
jetzt, da er im Begriff stand, das Geheimnis seiner Vergangenheit
an die Zukunft zu vermachen. Ein paar Tage musste er noch
aushalten, koste es, was es wolle. Wenn er dann zum Arzt ging und
sein Herz untersuchen ließ, würde es sicherlich immer
noch früh genug sein. Als der Schmerz nachließ,
stieß er die Bettdecke fort und stand auf. Barfuß und
im Pyjama durchquerte er das Schlafzimmer und machte sich an dem
alten Kleiderschrank zu schaffen. Den Scharnieren der
Schranktüren entwich ein leises Quietschen, dann strömte
ihm der Duft von Mottenkugeln entgegen. Er blickte in den Schrank.
Sauber hatte er die Wäsche gefaltet und akkurat auf den
Einlegeböden ausgerichtet. Auf der Messingstange Oberhemden,
Hosen und die Sakkos. Braun- und Grautöne herrschten vor. Er
war ein alter Mann - warum sollte er sich bunt wie ein Papagei
kleiden?
    Gustav Blum streckte
die Hände aus und drückte die Hemden beiseite. Dann
erblickte er die alte Pappschachtel. Er beugte seinen
Oberkörper schwerfällig in den Schrank, nahm die
Schachtel und ging damit zum Bett zurück. Der alte Mann
ließ sich auf die Bettkante sinken und verharrte einen
Augenblick. Wäre er beobachtet worden, könnte man
annehmen, er wäre in Ehrfurcht vor dem Inhalt des

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