Bernstein Verschwörung
zu
bringen.
»Warum kommen
Sie mir mit einer solchen Geschichte?«, fragte Eckhardt
schließlich. Er griff nach seiner Kaffeetasse, nahm einen
Schluck und machte eine angewiderte Miene. »Kalt«,
murmelte er und stellte die Tasse zurück auf den
Kork-Untersetzer. »Wir machen hier seriösen
Radiojournalismus, Frau Göbel. An wilden Gerüchten und
den Aussagen irgendwelcher Spinner möchte ich mich nicht
beteiligen. Dafür gibt es die
Boulevard-Presse.«
»Es gibt
stichhaltige Argumente, warum das Bernsteinzimmer sich in Wuppertal
befinden könnte«, wagte Heike nun einen Einspruch. Lust,
ihm von ihrem Treffen mit einem Freund aus Studientagen zu
erzählen, verspürte sie nicht. Heike hatte damit
gerechnet, dass Eckhardt so reagieren würde. Entsprechend
vorbereitet war sie in das Gespräch gegangen. Nicht umsonst
hatte sie sich die letzte Nacht in Stefans Küche mit
Recherchen um die Ohren geschlagen.
»Es gibt
unzählige Spinner, die das Bernsteinzimmer schon an den
verschiedensten Orten auf der ganzen Welt gesucht haben, warum
sollte es also nicht auch in Wuppertal zu finden sein?«
Eckhardt winkte ab. »Das ist doch geradezu
lachhaft.«
»Es gab vor
einiger Zeit Geschichten, die durch die Bergischen Medien gingen
— vielleicht erinnern Sie sich?«, wagte Heike einen
Vorstoß.
»Allerdings
erinnere ich mich.« Eckhardt zog ein Taschentuch hervor und
schnauzte sich die Nase, nicht ohne einmal mehr über seine
Pollenallergie zu schimpfen. »Und ich erinnere mich auch
daran«, sagte er, nachdem er das Taschentuch in die
Hosentasche gestopft hatte, »dass sich unser Sender an diesen
Geschichten nicht beteiligt hatte — weil es Blödsinn
ist.«
Heike hob
beschwichtigend die Hände. »Moment«, sagte sie.
»Lassen Sie uns die Sache nüchtern angehen: Wir haben
einen Mordfall, der sich in einem der städtischen Bunker
ereignet. Das Mordopfer und die Täter sind offensichtlich
Russen. Und wir haben einen in den Wirren des Krieges aus Russland
verschwundenen Schatz, der sich nach Meinung einiger Historiker in
einem der Bunker Wuppertals befinden könnte. Ich habe die
Geschichte des Bernsteinzimmers heute Nacht recherchiert. Es wurde
im Jahr 1716 vom preußischen König Friedrich dem Ersten
angefertigt. Dieser schenkte es noch im gleichen Jahr dem Zaren,
Peter dem Großen. Im Frühjahr des Kriegsjahres 1945
verloren sich die Spuren des Bernsteinzimmers in der
ostpreußischen Stadt Königsberg. Der Forscher, der
seinerzeit hier in Wuppertal nach dem Bernsteinzimmer suchte, ist
sicher, dass der damalige Gauleiter Koch das Zimmer in unsere Stadt
transportieren ließ. Kochs Wurzeln liegen in Wuppertal, und
der Mann fragt ganz klar, wohin man in den Wirren des Krieges etwas
bringen lässt?« Heike wartete ein paar Sekunden, und als
Eckhardt fragend die Schultern hob, fuhr sie fort: »Dorthin,
wo man sich auskennt. Dorthin, wo man sicher ist, ein gutes
Versteck für einen derartigen Schatz zu haben. Und es gab in
Kochs Leben nur zwei Orte, an denen er sich auskannte:
Königsberg und Wuppertal. Königsberg war ab August 1944
eingeschlossen, da kam sicher nichts mehr raus, also bleibt nur -
richtig, Wuppertal.« Heike achtete auf jede Regung im Gesicht
von Michael Eckhardt, der nun aufmerksam zuhörte. »Und
nun schlage ich einen Bogen in die Gegenwart: Jemand
erschießt den Gebäudedezernenten - glauben Sie nicht,
dass es da einen Zusammenhang gibt?« Heike redete sich in
Rage. Sie hasste es, wenn sie auf einer heißen Spur war und
man sie nicht ernst nahm. »Das Gebäudemanagement ist
auch für die Verwaltung der alten Luftschutzbunker
zuständig, wie Sie wissen. Auch das habe ich heute Nacht in
Erfahrung bringen können.«
»Meine liebe
Frau Göbel…« Eckhardt lächelte sie
freundlich wie ein Staubsaugerverkäufer an und beugte sich
weit über seinen wuchtigen Schreibtisch. »Wir kennen uns
nun rund zehn Jahre. Und ich kenne Sie gut genug, um zu wissen,
dass es Ihnen völlig egal ist, was ich von dieser Geschichte
halte. Sie werden recherchieren, und davon kann ich Sie nicht
abhalten, darüber bin ich mir durchaus im Klaren. Also - tun
Sie, was Sie nicht lassen können. Aber ich möchte, dass
nichts über den Sender geht, was ich nicht vorher gehört
habe, verstehen Sie mich?« Das war ein Kompromiss, mit dem
Heike gut leben konnte. Es war schon viel wert, wenn Eckhardt ihr
sämtliche Freiheiten ließ - solange sie ihre Arbeit im
Sender nicht vernachlässigte. Sie nickte und bedankte sich
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