Bernstein Verschwörung
die
Tasche seiner Jeans und zog einen zusammengefalteten DIN-A4-Zettel
hervor. »Hier«, sagte er, während er den Zettel
auf dem Schreibtisch ausbreitete. »Da ich davon ausgehe, dass
Sie der russischen Sprache nicht mächtig sind, habe ich
aufgeschrieben, was unser Freund uns übersetzt
hat.«
Ulbricht griff nach
der Notiz und studierte die Zeilen nachdenklich. Dann wechselte er
einen Blick mit seinem Assistenten, der ihm zwar über die
Schulter geschaut, aber kein Wort entziffert hatte.
»Das ist
allerdings ein dicker Hund«, murmelte Ulbricht. Er kratzte
sich das Kinn, und die Bartstoppeln seines Dreitagebartes
knisterten. Er beugte sich zu seinen Besuchern herüber und
blickte sie nacheinander an. »Auch wenn ich Sie rein
rechtlich nicht dazu zwingen kann - es wäre in Ihrem eigenen
Interesse, wenn davon nichts an die Öffentlichkeit gelangt.
Sagen Sie das auch Ihrem russischen Freund.«
»Er ist
Pole«, korrigierte Müller kleinlaut. »Aber er
versteht russisch.«
»Das ist mir
ziemlich egal, so lange er dicht hält«, gab Ulbricht
harsch zurück.
»Das können
wir versprechen«, nickte Mehrmann. Ulbricht bedankte sich und
gab den drei jungen Männern zu verstehen, dass er das
Gespräch als beendet betrachtete.
Nachdem sich die
Musiker verabschiedet hatten, blickte er seinen Assistenten mit
einem breiten Grinsen an. »Was halten Sie
davon?«
»Ich halte die
drei für nette junge Männer, die viel hilfsbereiter sind,
als ich echten Rappern zugetraut hätte«, bemerkte
Heinrichs und nahm wieder auf einem der freigewordenen
Besucherstühle Platz.
Ulbricht griff nach
der Selbstgebrannten CD und drehte sie in den Fingern. »Bevor
wir weitermachen können, müssen wir uns die Aufzeichnung
noch einmal übersetzen lassen.«
Als Heinrichs ihn
fragend anblickte, fuhr Ulbricht fort: »Die Jungs können
uns sonst was erzählen. Womöglich hängen sie selber
in der Sache drin und erzählen uns einen vom Pferd. Bitte
veranlassen Sie, dass die Übersetzung verifiziert
wird.«
Heinrichs erhob sich
kurz, um die CD von Ulbricht anzunehmen.
»Haben Sie
eigentlich mal nach meiner Tochter
gegoogelt?«
»Habe ich. Sie
lebt in der Nähe von Husum. Und, das wird Ihnen nicht
gefallen, sie hat eine Polizeilaufbahn eingeschlagen und jagt jetzt
Verbrecher.«
»So was hab ich
befürchtet.« Ulbricht richtete sich auf. Er beschloss,
in den nächsten Tagen Kontakt zu Wiebke zu suchen. Vielleicht
würde er einfach mal ein paar Tage frei machen, um sie zu
besuchen. Die Luft an der Nordsee soll ja sehr gesund
sein.
Rathaus Barmen,
10.30 Uhr
Der Raum, in dem die
Pressekonferenz stattfand, war voll. Heike blickte sich um und
erkannte einige der anwesenden Kollegen, die zumeist der
schreibenden Zunft angehörten. Aber auch ein Team der WDR
Lokalzeit war anwesend, um über die aktuellen Entwicklungen in
Sachen Haushaltslage zu berichten. Man kannte sich, traf sich mehr
oder weniger regelmäßig auf Terminen und
Pressekonferenzen.
Thema Nummer Eins war
an diesem Vormittag aber der Tod von Jörg Trautler, der zuerst
über die Wupperwelle ans Licht der Öffentlichkeit gelangt
war. Unwillkürlich dachte sie daran, dass sich die Nachricht
vom Tod Jörg Trautlers wie ein Lauffeuer in der Stadt
verbreitet hatte. Es hatte sie nach dem Treffen mit Kalla nur ein,
zwei Anrufe an den richtigen Stellen gekostet, und man hatte ihr
den Mord des Dezernenten bestätigt. Eine knappe halbe Stunde
nachdem Kalla im Sender aufgeschlagen war, hatte die Wupperwelle
darüber berichtet. Heike nahm, nachdem sie die Kollegen
begrüßt hatte, am langen Tisch Platz und machte das
digitale Aufnahmegerät startklar. Kurz erinnerte sie sich an
die Zeit, als sie noch mit einem kleinem Kassettenrekorder zu
Interviews und Außenreportagen losgezogen war. Das war noch
gar nicht so lange her, und die digitale Welt war inzwischen nicht
mehr aus dem Journalistenalltag wegzudenken. Damit war das Radio
noch ein Stückchen schneller als die anderen Medien, wenn man
vielleicht vom Internet einmal absah. Wenn etwas in der Stadt
geschah, war sie sofort vor Ort und konnte vom Schauplatz aus live
senden. Ein Kamerateam beispielsweise arbeitete aufwendiger; eine
Zeitung hingegen druckte meist erst am nächsten Tag. Heike
liebte das Radio und hatte auch der Verlockung widerstanden, zu
einem kleinen privaten Fernsehsender zu wechseln. Sie blieb der
Wupperwelle treu, und der Umstand, dass ihr Eckhardt einige
Freiheiten ließ, machte das Arbeiten
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