Bernstein Verschwörung
mit
einem strahlenden Lächeln. Eilig stand sie auf.
»Versprochen«, sagte sie und verließ das
Büro, ohne auf eine Antwort ihres Vorgesetzten zu
warten.
Loh, 16.40
Uhr
Lange hatte er
gezögert, dem Treffen mit der jungen Reporterin zuzustimmen.
Es war ruhig um ihn und seine Leidenschaft geworden, und das war
vielleicht auch gut so. Es war eine Zeitlang her, dass die Medien
fast täglich über ihn berichtet hatten. Er war zu einer
bekannten Persönlichkeit in der Stadt geworden, und das,
obwohl er eigentlich die Öffentlichkeit immer gescheut hatte.
Man hielt ihn für einen Spinner, für einen
Bernsteinzimmer-Verrückten. So hatten sie ihn in einer
großen deutschen Tageszeitung genannt. Seinen Traum, das
Achte Weltwunder eines Tages zu finden, hatte er niemals aus den
Augen verloren.
Doch Forschung kostete
viel Geld. Und genau daran war sein Projekt gescheitert. Er
hätte der Öffentlichkeit beweisen können, kein
Spinner zu sein. So kurz vor dem Ziel hatte er aufgeben
müssen, weil er seine Ersparnisse in die Suche nach dem
legendären Zimmer investiert hatte. Das Geld war verloren, und
seine Bankberater bedachten ihn immer mit einem mitleidigen
Lächeln, wenn er um eine Aufstockung seines Darlehens bat.
Niemand war bereit, in eine Mission zu investieren, deren Ausgang
nach mehr als sechzig Jahren völlig ungewiss war. Er hatte
sich zurückgezogen und seinen Traum auf Eis gelegt. Irgendwann
war die Suche nach dem Bernsteinzimmer in den Hintergrund seines
Lebens gerückt. Er hatte auf seine alten Tage noch eine Frau
kennen gelernt, mit der er den Rest seines Lebens verbringen
wollte. Fast schon hatte er den Glauben an die wahre Liebe
verloren. Doch seit einem knappen Jahr lebte er mit Johanna unter
einem Dach. Sie hatten sich nach anfänglichem Zögern eine
gemeinsame Wohnung gesucht und es seitdem kein einziges Mal bereut.
Da er Frührentner war, schmiss er den Haushalt, während
Johanna in der Metzgerei arbeitete. Sie hatten ihr Leben gemeinsam
organisiert, und um ein Haar hätte er seinen Traum, das
Bernsteinzimmer zu finden, aus den Augen verloren.
Bis ihn der Anruf der
Reporterin, dessen Namen er aus dem Radio kannte, erreicht hatte.
Plötzlich war alles wieder gegenwärtig, und das
Bernsteinzimmer nahm ihn wieder in den Bann. Doch er war nicht
bereit, mit einer Journalistin über seine Vision zu sprechen,
das hatte er ihr schon am Telefon klargemacht.
Er erhob sich und
wanderte durch das lichtdurchflutete Wohnzimmer. Trat an das
Fenster und blickte hinab auf die viel befahrene Straße. Als
er den Blick in die Ferne richtete, sah er das grüne
Stahlgerüst der Schwebebahn in der Sonne glänzen. Er war
hier in Wuppertal aufgewachsen, hatte hier sein ganzes Leben
verbracht und würde aller Wahrscheinlichkeit nach hier auch
sterben. Doch in den letzten Jahren hatten negative Schlagzeilen
die Lebensfreude im engen Flusstal gedämpft. Nachrichten von
einer Pleite und die Sparmaßnahmen waren nicht gut für
das Image der Stadt. So etwas hatte sein Wuppertal nicht verdient.
Und auch aus diesem Grunde hatte er das Bernsteinzimmer hier
gesucht. Der Fund des weltberühmten Schatzes würde
sicherlich eine Bereicherung für die Stadt sein - nicht nur in
kultureller, sondern vor allem auch in finanzieller Hinsicht. Lange
hatte er davon geträumt, dem Bernsteinzimmer eine Ausstellung
zu widmen. Die Touristen würden aus aller Welt ins Tal reisen,
um das Bernsteinzimmer mit eigenen Augen sehen zu können. Die
ganze Schönheit, die über sechzig Jahre lang in
Holzkisten geschlummert hatte, das Geschenk des russischen Zaren im einstigen
Königsberg. Die Deutschen hatten sich den Schatz unter den
Nagel gerissen, daran bestand für Heinrich Große kein
Zweifel. Ihm war es gelungen, die Spur des Bernsteinzimers bis in
seine Heimatstadt zu verfolgen. Doch hier verlor sich eben diese
Spur in einem der unzähligen Bunker der Stadt. Ihm war das
Geld ausgegangen, und irgendwann hatte er es einfach satt gehabt,
sich als Träumer belächeln zu lassen.
Jetzt hatte er seine
Johanna. Sollte die Stadt doch sehen, wie sie alleine
zurechtkam.
Große wandte
sich vom Fenster ab und warf einen Blick auf die Wanduhr. In einer
halben Stunde traf er sich mit der Reporterin. Er war gespannt
darauf, welche Fragen sie ihm stellen
würde.
Neumarkt, 16.55
Uhr
Neptun thronte
versteinert auf dem Jubiläumsbrunnen und schien sich
majestätisch der Nachmittagssonne entgegenzurecken. Als
Einziger blieb er trocken; alle
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