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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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sich nahtlos in eine Kette glänzender Perlen einzufügen, die sich vom Hafen zum Ufer erstreckte. Das niemals schlafende Auge des Hafens blinkte einmal, das Schiff antwortete. Neu-Piräus, eingebettet in den Hügel, sandte lodernde Lichtkaskaden zur Bucht hinab, um die Neuankömmlinge willkommen zu heißen, Botschaften, die wohlklingend, blendend und mit lockenden Versprechungen gespickt waren. Die Mannschaft grinste erwartungsvoll, Gesichter spähten durch die transparente Hülle, jemand kicherte nervös.
     
    Das leuchtende Zeichen an der Tür zeigte ein rotes, einbeiniges Spielzeug, Z INNSOLDAT stand in blauer Schrift darunter zu lesen. Und noch weiter darunter, in Grün: E SSEN . T RINKEN . I MMER GERN ZURÜCKKEHREN . Und die Gäste kehrten auch immer zurück, weil es stimmte.
    „Soldat, noch ’ne Runde!“ dröhnte es über Tonbandmusik.
    Der Besitzer des ‚Zinnsoldaten’, der zugleich selbst ‚Zinnsoldat’ genannt wurde, sah von seiner Polierarbeit auf und nickte lächelnd. Dann griff er nach unten und stellte Flaschen auf die Theke. Er mixte die Getränke höchstpersönlich. Sein Gesicht wirkte durchschnittlich, mit dunklen, geduldigen Augen. Sein Haar erinnerte an Kupferdraht, der mit einem Tuch zusammengeknotet war. Doch unter dem lockigen Kupfer, unter der Haut, bestand seine Schädeldecke aus Plastik. Die raschen Finger seiner Hand, die die langhalsige Flasche umklammerten, waren aus Plastik, der geschmeidige Arm war eine Prothese. Manchmal vermeinte er, ihn beim Bewegen klicken zu hören. Über die Hälfte seines Körpers war künstlich. Er sah aus wie fünfundzwanzig, aber vor fünfzig Jahren hatte er auch schon so ausgesehen.
    Er stellte die Gläser auf ein Tablett und stieß es an, sah ihm nach, wie es durch den Raum schwebte, und machte sich dann wieder ans Polieren. Die achatfarbene Oberfläche der Theke war mit farbigen Linien, grauen Streifen, Wirbeln und aus der Tiefe heraufschimmernden Chalzedonnebeln durchsetzt. Er hatte sie in der Wüste im Osten entdeckt – eine zerschmetterte Baumimitation, wie ein Reisekumpan, der in der Stasis der Zeit erstarrt war. Sie teilten den privaten Scherz mit ihrer Kundschaft.
    „… kommt unsere lebende Legende ansehen!“
    Er blickte auf und sah sie mit der Besatzung der Wer hat sie-709 hereinkommen. Ihm wurde bewußt, daß er sie nicht kannte. Sie ließ sich zurückfallen, während die anderen ausschwärmten, ihr kurzes, äschernes Haar sah im blauen Schein der Laternen wie geschmiedetes Metall aus. Neu, dachte er. Vielleicht achtzehn, die quecksilbernen Augen waren weit aufgerissen. Er lächelte ihr zu, während er alle begrüßte, und zog sie mit den anderen Frauen zur Theke. „Komm, kleine Schwester“, hörte er Harkane sagen, „du bist auch eine von uns.“ Sie lächelte zurück.
    „Ich kenn dich nicht … aber dein Name sollte Diana sein, der silbernen Herrin des Mondes gleich.“ Der Klang seiner Stimme überraschte ihn.
    Quecksilber wogte. „Ist er aber nicht.“
    Sehr neu. Und als er erkannte, was er beinahe getan hätte, wünschte er es sich plötzlich um so sehnlicher. Voll bitterer Freude fragte er: „Und wie lautet dein Name dann?“
    Ein Schatten huschte über ihr Gesicht, doch dann sah sie ihn lächelnd an und antwortete: „Ich heiße Brandy.“
    „Brandy …“
    „Bring uns das Übliche, Soldat“, sagte eine wissende Stimme. „Später, ja …?“
    Er nickte und griff unter der Theke nach Flaschen. Holz kreischte auf Stein, als sie einen Hocker näher zog und sich darauf setzte, um ihm beim Eingießen zuzusehen. „Du bist sehr geschickt.“ Sie nahm Nüsse aus einer Schüssel.
    „Ich habe viel Übung.“
    Sie lächelte, kapierte den Witz aber nicht.
    Er sagte: „Brandy ist ein hübscher Name. Und ich glaube, ich habe ihn schon einmal gehört …“
    „Eigentlich heißt es Branduin. Meine Mutter sagte, das wäre sehr alt.“
    Er sah sie an. Sie fragte sich, ob sie die eine Hälfte seines Gesichts erröten sehen konnte. „Was willst du trinken?“
    „Oh … haben Sie vielleicht … Brandy? Das ist, glaube ich, ein Wein – aber niemand hat welchen. Ich frage immer, weil das mein Name ist.“
    Er runzelte die Stirn. „Nein … Verdammt, doch! Bleib hier.“
    Er kam mit der unmöglichen Flasche zurück, wischte sorgfältig den Staub von Jahren ab und schob sie ihr zu. Kastanienbraune Blitze zuckten in ihren Augen. „Muß all die Jahre auf dich gewartet haben. Davon habe ich gehört – echter Weinbrand von

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