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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Zuhause.“
    „Von Terra – wirklich? Oh, danke!“ Sie berührte die Flasche, dann seine Hand. „Ich freue mich sehr darüber.“
    Er reichte ihr eines der geschwungenen Gläser mit dem duftenden Wein. „ Ad astra.“ Sie hob ihr Glas.
    „Ad astra, auf die Sterne.“ Er hob sein eigenes Glas und fügte lautlos hinzu: Heute nacht …
     
    Sie waren allein. Ihr Atem ging schwer, während sie die neu gepflasterte Straße zu seinem Zuhause entlanggingen und sich dabei von der Unterstadt entfernten, wo die Fluoreszenzlampen eine nach der anderen erloschen.
    Er lehnte sich gegen eine niedere Steinmauer. „Möchtest du ein wenig verschnaufen?“ Hinter ihm und dem einsamen Platz befand sich ein unkrautüberwucherter Garten, den man im Flackern der Straßenlaterne fast nur erahnen konnte.
    „Danke.“ Sie lehnte sich gegen ihn und die Mauer. „Ich bin etwas außer Übung. Auf einem Schiff gibt es nicht viel zu tun. Eigentlich müßte man Fitneßübungen absolvieren, aber …“ Ihre Schulter zuckte unter schulbewußt blau-silbernen Augen. Er absorbierte ihre Wärme.
    Ihre Hand preßte seine sanft gegen die Mauer. „Wie heißt du? Das hast du mir nämlich noch nicht gesagt.“
    „Jeder hier nennt mich Soldat.“
    „Aber das ist nicht dein Name.“ Ihre Augen forschten in seinen, sie lächelte.
    Er beugte den Kopf, seine Hand umklammerte ihre. „Oh nein, das ist er nicht. Er lauter Maris.“ Er sah auf. „Auch das ist ein alter Name. Er bedeutet Soldat, dem Kriegsgott geweiht. Er hat mir nie besonders gefallen.“
    „Von ‚Mars’ abgeleitet? Der vierte Planet Sols, der Kriegsgott.“ Sie legte den Kopf zurück und spähte in die Dunkelheit. Nebel verbarg die Sterne.
    „Ja.“
    „Warst du Soldat?“
    „Ja. Jeder war Soldat – jeder Mann. Wenigstens dort, wo ich herkomme. Der Krieg war zum Lebensinhalt geworden.“
    „Ein Versuch, das angeschlagene männliche Ego wieder etwas aufzuwerten?“
    Er sah sie an.
    Sie runzelte konzentriert die Stirn. „’Nachdem sich herausgestellt hatte, daß Männer den Strapazen des Raumfluges physisch nicht gewachsen waren und die Frauen durch die Monopolisierung der neuen Ära in dominierende Positionen vorrückten, wurde die kulturelle Basis Terras mehreren heftigen Wandlungen unterzogen. Als Resultat dessen entstanden viele neue, wenn auch nicht immer zufriedenstellende, kulturelle Systeme in der Galaxis … Eines davon könnte man als Rückfall in gnadenlosen Masochismus …’“
    „,… und als Wiedergeburt der Krieger/Sklaven-Tradition bezeichnen.’“
    „Du hast das Buch auch gelesen.“ Sie schien niedergeschlagen.
    „Ich lese viel. Aus alt mach neu von Ebert Ntaka?“
    „Tut mir leid … ich glaube, ich habe mich gehenlassen. Aber ich lese es gerade …“
    „Nein.“ Er grinste. „Ich stimme auch mit dem ollen Ntaka überein. Glatte – was für ein abscheulicher Name – war ein ungesunder Planet. Aber aus diesem Grunde bin ich hier und nicht dort.“
    „Au …!“ Sie riß sich von seiner Hand los. „Ohh, oh … Großer Gott, bist du stark!“ Sie nahm die Finger in den Mund.
    Er entschuldigte sich sofort, doch sie schüttelte sowohl den Kopf als auch die Hand. „Nein, schon gut … wirklich, ich war nur überrascht. Schlimme Erinnerungen?“
    Er nickte mit verkniffenem Mund.
    Sie berührte seine Schulter, legte einen Finger auf seine Lippen. „Küsse sie und mach es gut.“ Er griff nach ihrer Hand, küßte sie sanft und preßte sie an sich. „Es ist schon sehr spät. Wir sollten weitergehen …?“
    „Nein.“ Sich selbst hassend, lehnte er sich wieder gegen die Wand.
    „Nein? Aber ich dachte …“
    „Ich weiß. Dein erster Raumflug, ich fragte nach deinem Namen, du wolltest es so. Die Tradition will es, daß du hinterher einen Mann flachlegst. Aber ich bin ein Cyborg, Brandy … Immer gut für einen Scherz mit einem armen Grünschnabel. Das ist schon hundertmal passiert.“
    „Ein Cyborg?“ Die flackernden grauen Augen begutachteten seinen Körper.
    „Wenn ich die Kleidung anhabe, merkt man es nicht.“
    „Oh …“ Nun hieben bleiche Peitschen über ihre Augen. Sie holte tief Atem und hielt ihn an. „Läßt du es … läßt du es immer so weit kommen? Ich meine …“
    „Nein. Zum Teufel, ich weiß nicht, warum ich … Ich muß mich noch bei dir entschuldigen. Normalerweise frage ich nie nach dem Namen. Und wenn doch, dann teile ich meistens sofort mit, daß ich ein Cyborg bin, ich lasse keine in falschem Glauben. Ich zähle nicht.“

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