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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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schließlich ein Feuer zu entfachen, das ihre frierenden Körper wärmte.
    Während sie aßen, sah er sie manchmal verstohlen an, suchte den Ausdruck ihres Gesichtes zu deuten. Doch sie verbarg ihre Gedanken vor ihm, sammelte ihre Vorstellungen, hielt das Haus in Ordnung. Endlich berührte sie ihn, um ihm ein Bild des Kristallschiffes zu zeigen; sie versprach nichts, enthüllte nur die Tatsache, daß sie soweit gehen würde.
    Er nickte, doch eine plötzliche Freude glomm in seinen Augen, die in ein tiefes Verständnis für ihre Ängste überging. Erneut spürte sie, welch ein großes Stück von ihm, in ihr, am Gelingen oder Scheitern ihrer Mission teilhaben würde.
    Endlich verließen sie die Unterkunft, um durch das Labyrinth der Straßen einer unsicheren Zukunft entgegenzugehen. Der fallende Schnee umhüllte sie mit einem reinen Weiß, setzte sich auf ihren Wimpern und Haaren und auf Mondschattens Pelz fest, eine betäubende Verkleidung. Für einen Moment verweilten Tarawassies Gedanken bei dem Anblick, den sie bieten würde, wenn sie die Quelle durchschritt – eine abgemagerte, ausgezehrte Gestalt, die das neue Leben begrüßen würde … Doch sie wußte, daß dieser Körper lediglich ein Gehäuse war, ein Gehäuse für jene Substanz, die Essenz der Seele, die in die Weiten des Alls hinausgeweht werden würde – ein Gehäuse, das perfekt wiedererbaut werden würde, sicherlich ohne jene äußeren Anzeichen, die die sorglose Hand des Lebens ihm zugefügt hatte. Sie sah das Gesicht ihrer Mutter, wohlbehütet und kräftig, das sie erwarten würde – klammerte sich an diese Vision, um nicht an die endlosen Schwärzen des dunklen Abgrunds denken zu müssen.
    Endlich erreichten sie die schneebedeckte Kuppel des Fährenlandeplatzes. Sie trat langsam ein, fühlte sich wie eine Fremde, Mondschatten trottete hinterdrein. Sie hörte das unregelmäßige Auftreten seiner verletzten Beine, nahm sein neues, dumpfes Schweigen in sich auf, sah die Symbole des Fortschritts, jene unnatürlichen Gerätschaften im Innern der Kuppel. Niemand erwartete sie, aber eine der Fähren stand bereit. Sie war froh darüber, nicht warten zu müssen, wollte keine Zeit zum Nachdenken, zum Zögern.
    Am Eingang der transparenten Hülle der Fähre hielt sie an, Mondschatten stand an ihrer Seite und betrachtete das Fahrzeug mit einem Ausdruck vollkommenen Unverständnisses. Sie deutete in den opalfarbenen Himmel über ihnen, doch noch immer verstand er nicht. Da reichte sie ihm die Hand und zeigte ihm das Bild dieses kleinen Juwels, das emporschwebte zum Kristallschiff, wo die Sternenquelle wartete. Er trat zurück, seine Nackenhaare sträubten sich bei dem Gedanken an Fliegen, und es gab keine menschlichen Worte, die in der Lage gewesen wären, ihm seine Furcht zu nehmen. Für einen winzigen Augenblick erhellte eine stille Wonne sein Gesicht, wo vor kurzem noch Angst gewesen war, doch dann blickte er wieder unruhig zur Seite.
    Schmerz erfüllte sie. Nein, sie konnte es nicht – konnte ihn nicht so zurücklassen, nicht auf diese Art … Irgendwie mußte es einen gemeinsamen Weg für sie geben, der es ihm ermöglichte, dieses letzte Geheimnis zusammen mit ihr zu erforschen. Sie winkte ihm, ihr in die Fähre zu folgen.
    Er schüttelte den Kopf; die Furcht verschwand nicht von seinen Zügen, war nun aber unterlegt mit einer resoluten Entschlossenheit. Er schlug sich gegen die Brust. „Ich nicht vergessen. Warten auf Rückkehr. Ich niemals vergessen!“ Er kauerte sich nieder und zeigte ihr mit Gesten, daß er warten würde. Was auch immer geschehen mochte, er würde ihre Rückkehr erwarten.
    Sie nickte, akzeptierte es, zumal sie sich an Shemadans Wissen, daß die Sternenquelle noch niemals Eingeborene transportiert hatte, erinnerte. Sie wußte, daß diese Reise allein ihre Aufgabe war, abhängig von ihrer Entscheidung, ihrem Mut und ihrer Stärke, daß die Trennung von ihm der Preis war, den sie zahlen mußte, eine Prüfung ihrer Willenskraft.
    Mondschatten erhob sich wieder und legte ihr beide Hände auf die Schultern, wobei er verlegen von einer Seite zur anderen blickte, während sie ihn anschaute. Er sprach sehr sanft, flüsterte nur dieses eine: „Meine Schwester … meine Schwester …“
    Auch sie hob ihre Hände, zog ihn an sich und hielt ihn kurze Zeit eng umschlungen. „Ja, mein Bruder … mein Bruder … mein Bruder! Auf Wiedersehen …“ Sie riß sich von ihm los, ehe ihre Willensstärke abbröckelte, und betrat das Innere der Fähre.

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