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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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schlossen sich wiederholt über den schweren Sessellehnen, ihre Augen hatten die Farbe von kräuselndem Rauch. „Willst du uns daraus wirklich einen Vorwurf machen? Die Raumfahrt ist unser Leben, unsere Stärke. Wir müssen die anderen ausschließen, denn rings um uns her verändert sich alles, es gibt keine Kontinuität – wir haben nur uns. Darum haben wir unsere Vorschriften, darum ziehen wir uns gleich an, sehen gleich aus, handeln gleich. Etwas anderes bleibt uns nicht, wenn wir nicht den Verstand verlieren wollen. Wir müssen immer von allem getrennt leben.“ Sie zog ihr Haar nach vorne und zupfte nervös daran herum. „Und deswegen haben wir auch niemals zweimal denselben Liebhaber. Wir haben Notwendigkeiten zu befriedigen, aber wir können uns keine festen Bindungen leisten. Das bedeutet Gefahr und Instabilität … Das verstehst du doch, nicht wahr, Maris, darum kann ich nicht …“ Sie verstummte, ihre Augen brannten mit Sorge und – dahinter – mit Furcht.
    Er lächelte. „Habe ich mich etwa beschwert?“
    „Wolltest du denn nicht …“ Sie hob den Kopf.
    Er nickte langsam, spürte beginnenden Schmerz. „Doch, ich glaube schon.“ Aber ich verändere mich nicht. Er schloß plötzlich die Augen, bevor sie den Blick darin lesen konnte. Aber darum geht es eigentlich gar nicht, oder?
    „Maris, soll ich denn nicht mehr hierherkommen?“
    „Nein … Nein … Ich verstehe, schon recht. Ich mag deine Gesellschaft.“ Er streckte sich kopfschüttelnd. „Aber lege wenigstens ein Handtuch um, ja? Ich bin schließlich auch nur ein Mensch.“
    „Ich verspreche … daß ich in Zukunft die Augen offenhalten werde.“
    Er dachte an die Zukunft, die bei Einbruch der Dämmerung beginnen würde, wenn das Schiff wieder startete, und sagte nichts.
    Er taumelte fluchend vom Schlafzimmer zur Tür und fand sie dort strahlend und völlig unerwartet. „Überraschung!“ Sie lachte und umarmte ihn, wobei sie sein halb übergezogenes Hemd wieder abstreifte.
    „Mein Gott … He!“ Er zog sie ins Innere und schlug die Tür zu. „Möchtest du etwa, daß ich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet werde?“ Er wandte sich um und richtete heruntergerutschte Hosen und sein Hemd wieder, während sie kichernd hinter ihm stand.
    Er sah sie wieder schlaftrunken an und konnte es offensichtlich kaum glauben. „Du bist früher dran … fast zwei Wochen?“
    „Ich weiß. Und ich konnte es kaum erwarten, dich zu überraschen. Das ist mir doch gelungen, oder?“ Sie rollte mit den Augen. „Ich hörte dich zur Tür schlurfen.“
    Sie saß zusammengekauert auf seiner altersschwachen Couch und blinzelte zum Fenster hinaus, während er seine Sandalen zuschnürte. „Früher hattest du soviel Platz. Aber die Häuser haben noch nicht dein ganzes Tal zugedeckt, oder?“ Ihre Stimme klang bedauernd.
    „Noch nicht. Und wenn das je geschieht, dann werde ich nicht bleiben und es mit ansehen … Wie war die Reise dieses Mal?“
    „Herrlich … ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, jemals etwas anderes zu tun. Man kann alles hundertmal ansehen und sieht sich doch niemals satt daran …
     
    Durch dein kristallenes Auge,
    Mactav, erblicke ich den Mitternachtsstern,
    Der sein Innerstes nach außen kehrt …
     
    Stell dir nur vor! Meine Gedichte … ich habe den Zyklus während der Reise beendet … und er wird auf Treone veröffentlicht werden. Dort fand man sehr nette Worte dafür.“
    Er nickte verschmitzt. „Sie haben einen guten Geschmack. Offensichtlich hat sich auch dort einiges verändert.“
    „,Eine voranschreitende Renaissance’ – das bedeutet, sie haben sich dort im letzten Jahrzehnt ganz außerordentlich aufs Künstlerische verlegt. Ihre Schwänze sind wirklich toll …“ Sie schüttelte erinnernd den Kopf. „Einer von ihnen hat mir von dem Verleger erzählt.“
    „Hast du ihm deine Gedichte gezeigt?“ Er versuchte, nicht zu …
    „Großer Gott, nein, wo denkst du hin! Er hat mir von seinen erzählt, und da dachte ich mir, was habe ich schon zu verlieren?“
    „Wann werde ich ein Exemplar bekommen?“
    „Ich weiß nicht.“ Sie verzog enttäuscht das Gesicht. „Vielleicht bekomme ich selbst nie eines, nach fünfundzwanzig Jahren werden sie vergriffen sein. ‚Kunst ist langwierig und die Zeit vergänglich’ … Longfellow wußte es auch schon. Aber ich habe dir Kopien von den Gedichten gemacht. Und ich habe dir wieder ein paar Bücher mitgebracht. Hier ist eines, das du unbedingt lesen solltest –

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