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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Kaffeetasse in der Hand. „Danke.“ Er nahm seine Tasse, trank einen Schluck und fühlte, wie die heiße Flüssigkeit seine Kehle hinabrann und seinen leeren Magen wärmte. Ohne wieder aufzuschauen, sagte er: „Jetzt hast du, was du wolltest. Und Reed auch, er bekommt Pathos und Morde.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Das wollte ich nicht. Ich will nicht, daß du alles aufgibst, was du hier erreicht hast, nur weil dir nicht gefällt, was Reed mit einem Teil davon anstellt. Das lohnt sich nicht. Deine Arbeit bedeutet zuviel für dieses Projekt – und dir selbst bedeutet sie auch zuviel.“
    Er sah auf.
    „Ja, sie hat recht, Shannon. Du kannst jetzt nicht kündigen – wir brauchen dich so sehr. Und T’uupieh braucht dich auch.“
    Wieder lachte er, ohne es zu wollen. „Wie ein Zementjojo. Was hast du vor, Garda, willst du mein eigenes Moralisieren gegen mich verwenden?“
    „Sie erzählt dir nur, was jeder Blinde heute nacht sehen könnte – wenn er es nicht schon vor Monaten erkannt hätte.“ Die Stimme seiner Mutter klang seltsam abwesend. „Dieses Projekt hätte ohne dich niemals so erfolgreich sein können. Du hattest recht mit dem Synthesizer. Dich zu verlieren, könnte zur Folge haben …“
    Sie verstummte und wandte sich um, als Reed am Ende des langen Raumes zur Tür hereinkam. Dieses Mal war er ausnahmsweise allein und sah zerknirscht aus. Shannon vermutete, daß er geschlafen hatte, als der Anruf ihn erreichte, und freute sich diebisch darüber, ihn geweckt zu haben.
    Reed dagegen war nicht so erfreut. Shannon bemerkte sein Stirnrunzeln, das Sorge oder Zorn oder beides ausdrücken konnte und sein Gesicht verzerrte, während er durch den hallenden Korridor auf sie zukam. „Was soll das heißen, Sie wollen aufhören? Nur weil Sie eine Außerirdische nicht umstimmen können?“ Er betrat die enge Kabine und sah zum Terminal herunter – um sicherzugehen, daß alle Außenmikrofone abgeschaltet waren, vermutete Shannon. „Sie wußten, daß es schwierig sein würde, möglicherweise hoffnungslos. Sie müssen endlich kapieren, daß sie sich nicht verändern will, die Wertvorstellungen einer fremden Kultur unterscheiden sich von den anderen.“
    Shannon lehnte sich zurück, seine Unterarmmuskeln begannen übermüdet zu zucken. „Das kann ich akzeptieren. Was ich nicht akzeptieren kann, ist die Tatsache, daß Sie uns alle zu verdammten Kupplern machen wollen. Gütiger Himmel, Sie haben nicht mal einen plausiblen Grund! Ich bin nicht hergekommen, um die musikalische Untermalung für eine Räuberpistole zu schaffen. Wenn Sie so weitermachen und der Öffentlichkeit die Aufzeichnungen von den Morden übergeben, kündige ich. Ich will das alles nicht aufgeben, aber ich werde auch nicht als Hampelmann eines Mannes hierbleiben, der aus Mord einen Karneval zu machen versucht!“
    Reeds Stirnrunzeln vertiefte sich, er sah weg. „Nun? Was ist mit euch anderen? Bezichtigen Sie mich insgeheim etwa auch der Koketterie mit dem Mord? Carly?“
    „Nein, Marcus … eigentlich nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber wir alle sind der Meinung, wir sollten unsere Forschungsarbeit nicht zu einem Spektakel machen. Schließlich haben die Bewohner des Titan ein ebenso großes Recht auf Privatsphäre wie jeder Erdenbürger auch.“
    „Ja, Marcus, ich glaube, darin sind wir uns alle einig.“
    „Und wieviel Privatsphäre hat heutzutage jemand auf der Erde noch? Großer Gott … erinnert ihr euch noch an Tassady? Und das ist schon dreißig Jahre her. Es gibt keinen Berggipfel und keine Wüste mehr, die das allgegenwärtige Kameraauge der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich gemacht hat. Und wie bezeichnet ihr die Überwachungsgesetze zur Verbrechensverhütung? Unser Leben ist zu einer einzigen großen Peepshow geworden.“
    Shannon schüttelte den Kopf. „Das bedeutet aber noch lange nicht, daß wir gezwungen sind …“
    Reed betrachtete ihn mit kalten Augen. „Ich habe Ihren klugscheißerischen Eigendünkel satt, Wyler. Wem verdanken Sie Ihren Erfolg als Musiker, wenn nicht der Öffentlichkeitsarbeit, der Werbung?“ Er fuchtelte zu den Plakaten an der Wand hinüber. „Ihre Art von Musik ist schwerer zu verkaufen als alles andere, was ich kenne.“
    „Ich mußte mit einem gewissen Publicityaufwand beginnen, sonst hätte ich die Öffentlichkeit niemals erreichen können. Ich konnte das nicht tun, was mir als einziges etwas bedeutet – kommunizieren. Das heißt aber noch lange nicht, daß mir das

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