Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
mich an Elton John erinnerte?“
T’uupieh stand still und betrachtete das kalte Auge des Dämons. Der neue Tag verfärbte die Wolken von Bronze zu Gold, das Licht fiel durch das schimmernde Haarlaub der Bäume, erhellte die tauenden Hänge und die grünen, durchsichtigen Klippen und badete den Körper des Dämons in Licht. Sie nagte die letzten Fleischstückchen von ihrem Knochen ab, mußte sich aber zum Essen zwingen und merkte kaum, was sie tat. Sie hatte bereits Späher in Richtung Stadt losgeschickt, die nach Chwiul Ausschau halten sollten – und nach Klovhiris Leuten. Hinter ihr machte sich gerade der Rest ihrer Leute fertig – sie erprobten die Waffen und ihre Reflexe oder aßen.
Der Dämon hatte immer noch nicht zu ihr gesprochen. Es war schon oft vorgekommen, daß er sich entschlossen hatte, stundenlang nicht zu sprechen, doch nach seinen verrückten Äußerungen der vergangenen Nacht wurde sie von der Sorge geplagt, er könnte sich entschließen, überhaupt nicht mehr zu sprechen. Ihre Sorge wuchs und entzündete die Lunte ihres Zorns, die an diesem Morgen ohnehin besonders kurz war, bis sie sich schließlich wütend nach vorn warf, ihn mit der hohlen Hand schlug und brüllte: „Sprich zu mir, Mala’ingga!“
Doch kaum hatte sie ihren Schlag gelandet, schoß Schmerz wie Feuer ihren Arm empor. Sie taumelte mit einem überraschten Fluch zurück und schüttelte ihre Hand. Der Dämon hatte ihr bisher noch nie etwas getan, sie noch nie bedroht oder in irgendeiner Weise verletzt. Aber sie hatte sich auch noch niemals zuvor angemaßt, ihn zu berühren, hatte ihn bisher immer mit kalkuliertem Respekt behandelt … Närrin! Sie betrachtete ihre Hand, immer besessen von der Angst, sie könnte nur noch einen verbrannten Stumpf sehen, der sie vor dem heutigen Angriff zum Krüppel machen würde. Doch ihre Haut war immer noch glatt und ohne Blasen, nur das Fleisch kribbelte noch von den Nachwirkungen des Schocks.
„T’uupieh! Alles in Ordnung?“
Sie wandte sich um und sah Y’lirr, der halb verängstigt, halb zornig hinter sie getreten war. „Ja.“ Sie nickte, um eine scharfe Antwort angesichts seiner Sorge zurückzuhalten. „Nichts weiter.“ Er trug ihren Bogen und den Köcher. Sie streckte ihre schmerzende Hand aus und nahm sie vorsichtig entgegen, um sie über den Rücken zu schlingen. „Komm, Y’lirr, wir müssen …“
„T’uupieh.“ Dieses Mal war es die Stimme des Dämons, der ihren Namen rief. „T’uupieh, wenn du an meine Macht glaubst, mir das Schicksal gefügig zu machen, dann mußt du zurückkommen und mir wieder zuhören.“
Sie wandte sich um. Y’lirr hinter ihr zögerte. „Ich habe festen Glauben in alle deine Fähigkeiten, mein Dämon!“ Sie rieb ihre Hand.
Die bernsteinfarbenen Tiefen seiner Augen absorbierten ihren Ausdruck und lasen ihre Aufrichtigkeit. Wenigstens hoffte sie das. „T’uupieh, ich weiß, ich habe dich nicht von dem überzeugt, was ich gesagt habe. Aber ich möchte es gerne tun …“ – seine Stimme wurde unverständlich – „… in mich. Du sollst meinen Namen erfahren. T’uupieh, mein Name ist …“
Sie hörte Y’lirr entsetzt hinter ihr aufschreien. Sie sah sich um – er bedeckte seine Ohren mit den Händen –, dann ungläubig wieder zurück.
„… Shang’ang.“
Das Wort verbrannte sie wie die feurige Berührung des Dämons, doch dieses Mal war der Schmerz nur in ihrem Geiste. Sie schrie verzweifelt protestierend auf, doch der Name war bereits in ihrem Gehirn verankert. Zu spät!
Ein langer Augenblick verging, sie atmete tief ein und schüttelte den Kopf. Unglaube ließ sie immer noch bewegungslos verharren, während ihre Augen das Lager betrachteten und sie den Lauten der Erwachenden lauschte und die aromatische Frühlingsluft atmete. Dann begann sie zu lachen. Sie hatte einen Dämon seinen Namen aussprechen hören und lebte immer noch – und sie war weder blind noch taub, noch verrückt geworden. Der Dämon hatte sich endlich für sie entschieden, er hatte sich ihr ausgeliefert und sich ihr ergeben. Endlich!
Noch immer benommen, merkte sie kaum, daß der Dämon wieder zu ihr sprach. Sie unterbrach das triumphierende Heulen, das in ihrer Kehle aufstieg, und hörte ihm zu:
„ … des weiteren befehle ich dir, mich auf deine heutige Mission mitzunehmen. Ich muß sehen, was geschieht und wie Klovhiri geht.“
„Ja! Ja … mein Shang’ang. Es wird geschehen, wie du es wünschst. Dein Wunsch ist mein Befehl.“ Sie wandte sich ab
Weitere Kostenlose Bücher