Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Unternehmen nützlich und vermittelte beispielsweise die Memoiren von Michail Gorbatschow, den er als außenpolitischer Berater mehrmals im Jahr besucht hatte. Der Spiegel kommentierte: »Wie schön sich die Interessen ergänzen: hier der Medien-Riese Bertelsmann, der den Zuschlag haben will, dort der Kanzler Helmut Kohl, der Gorbatschow in Dankbarkeit verbunden ist (und später vielleicht Memoiren schreiben will).«
In Konzernangelegenheiten konnte Teltschik nicht mitreden, er vertrat zwar nach außen formal den Eigentümer des Konzerns (nämlich die Stiftung), intern hatte er jedoch kein Stimmrecht. Ein großes Verdienst von Teltschik ist, dass er die bis dahin unbekannte Stiftung zu einem Namen in der Politik gemacht hat. Er nutzte seine Kontakte und versammelte führende Politiker vom 3. bis zum 5. April 1992 zum ersten Bertelsmann Forum im Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg bei Bonn um einen Tisch, um sie – fernab von dem sonst üblichen Ergebnisdruck – ins Gespräch zu bringen. Offizielle Anlässe wie Gipfeltreffen der NATO, EG, G7 oder der KSZE seien so sehr von tagesaktuellen Ereignissen bestimmt, dass kaum Zeit für längerfristige Strategien bleibe, begründete Teltschik die Veranstaltung. Zudem bleibe der Dialog auf die politische Klasse beschränkt, er müsse aber darüber hinaus als gesellschaftlicher Dialog geführt werden. Im Vorwort des Protokolls der Veranstaltung schrieb er: »Die Bertelsmann Stiftung hat hier ein Defizit erkannt und will mit dem internationalen Bertelsmann-Forum den Informations- und Meinungsaustausch über gesamteuropäische Probleme und Aufgaben ermöglichen« – ob in Fragen von Sicherheits-, Rüstungs-, Wirtschafts- oder Kulturpolitik.
Teltschik sicherte sich die Mitarbeit von Bundeskanzler Helmut Kohl, berief ihn und viele prominente Vertreter in den Lenkungsausschuss, das sogenannte Steering Committee: Henry Kissinger, von 1969 bis 1973 Nationaler Sicherheitsberater der USA und anschließend bis 1977 Außenminister, Václav Klaus, Carl Bildt und Felipe González, die Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik, von Schweden und von Spanien, ihr ehemaliger ungarischer Amtkollege Miklós Németh, sowie Jaques Delors, den Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaft. Geleitet wurde das Committee neben Kohl und Fritz Ullrich Fack, einem Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung , von Mark Wössner, dem Unternehmenschef der Bertelsmann AG und von 1989 bis 1998 Mitglied des Beirats der Stiftung. Unterstützt wurden sie von Edzard Reuter, dem Vorstandsvorsitzenden der Daimler-Benz AG, und Werner Weidenfeld, dem damaligen Leiter der Forschungsgruppe Europa am Institut für Politikwissenschaft der Universität Mainz.
Bundeskanzler Helmut Kohl eröffnete die Veranstaltung mit einem Vortrag, dessen Titel lautete: »Die Chancen für die Zukunft Europas sind weitaus größer als die Risiken«. Er sagte: »Für mich ist es eine besondere Freude, viele von den ausländischen Partnern und Freunden hier zu treffen, mit denen ich in den vergangenen Jahren eng zusammengearbeitet habe.« Kohl zitierte Karl Popper, wonach Geschichte nicht das Ergebnis eines blinden, unentrinnbaren Schicksals, sondern des Denkens und Handelns von Menschen sei, und er sprach vom Erarbeiten einer gemeinsamen europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Kohl, der sonst den Kontakt zu Bertelsmann mied, feierte auf der Veranstaltung seinen 62. Geburtstag. Teltschik hatte für ihn eine sechsstöckige Torte backen lassen, die die politischen Stationen seines Lebens darstellte. Das Brandenburger Tor auf Stufe fünf stand für die deutsche Wiedervereinigung; ganz oben auf Stufe sechs wurde die europäische Einigung symbolisiert. Unter den rund fünfzig Gästen, die sich um einen riesigen runden Tisch versammelt hatten, befanden sich Lord Geoffrey Howe, der ehemalige Außenminister Großbritanniens, sein ehemaliger polnischer Amtskollege Jan Krzysztof; außerdem Leonid Krawtschuk, der Präsident der Ukraine, Ruud Lubbers, der Ministerpräsident der Niederlande, Gianni de Michelis, der italienische Außenminister, Brent Scowcroft, der außen- und sicherheitspolitische Berater des amerikanischen Präsidenten, dazu Abgeordnete verschiedener Parlamente, Botschafter, Kommentatoren, Kolumnisten und Herausgeber der New York Times , der Financial Times , die Chefredakteure der International Herald Tribune , der Neuen Zürcher Zeitung und der Zeit . Als Liz Mohn, Mark
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