Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
geht. Sie sind Pioniere auf dem Weg zur unmittelbaren, spontanen, dezentralen, effizienteren, vielfältigen Verbindung von unternehmerischer Dynamik und Dienst am Gemeinwohl.« Ein Lob aus dem Mund des Bundespräsidenten, wie Mohn und die Stiftung es sich nicht schöner hätten wünschen können.
Als Resümee der Tagung hielt die Stiftung fest: »Operative Stiftungen sind konzeptionell arbeitende Einrichtungen, welche bei allen Projekten von der Idee bis zu deren Umsetzung gestalterisch und organisatorisch mitwirken. (…) In einer Zeit, in der die staatliche Fähigkeit zum Lösen sich zuspitzender gesellschaftlicher Probleme wegen sozialer Blockierungen nachlässt, können und müssen operative Stiftungen als konzentrierte Form bürgergesellschaftlichen Engagements unparteiische und sachgerechte Lösungskonzepte erarbeiten und sie in ausgewählten gesellschaftlichen Problemfeldern verwirklichen. Da sie keinem Partikularinteresse verpflichtet sind, sollten sie ihre Sonderstellung beherzt nutzen, indem sie unbequeme Fragen aufgreifen und neuartige Problemlösungen testen. Sie müssen jedoch auch den Beweis führen, dass ihre Lösungsvorschläge praktikabel und weiterführend sind.« 2
Das sind viele schöne Worte. Entscheidend ist ein einziger Satz von sieben Thesen, mit der die Stiftung die Ergebnisse der Tagung für Politik und Öffentlichkeit zusammenfasste. Er lautet: »Stiftungen sind gemeinnützige Einrichtungen. Sie müssen selbst entscheiden, wie sie die daraus resultierende gesellschaftliche Verpflichtung erfüllen.« Sie müssen selbst entscheiden. Es klingt wie ein Auftrag und es ist ein Freibrief, den sich die Stiftung selbst ausstellte – erarbeitet auf einem Gipfeltreffen internationaler Stiftungskompetenz, wie Weidenfeld es nahelegte, und bezeugt durch die Anwesenheit und Bestätigung des Bundespräsidenten. Damit haben Mohn und die Stiftung sich eine wichtige Bestätigung erarbeitet: Sie sind unverzichtbar für das Gemeinwohl. Wie aber können sie konkrete Fortschritte machen, um ihre Vorstellungen umzusetzen? Den Bundespräsidenten und den Leiter seines Planungsstabes von Bonn nach Gütersloh zu bekommen ist das eine. Aber wie kommt die Stiftung an die entscheidenden Positionen in seiner Dienststelle und im Regierungsapparat?
Das Bundespräsidialamt arbeitet zwar für den höchsten deutschen Politiker. Aber es ist eine kleine Behörde, die über keinen allzu großen Etat verfügt. An der Spitze steht ein Staatssekretär. Herzog berief mit Wilhelm Staudacher keinen Diplomaten, sondern einen ehemaligen Mitarbeiter aus seiner Zeit als Kultusminister in Baden-Württemberg. Der Staatssekretär nimmt an den Kabinettssitzungen der Regierung teil und hat dadurch Zugang zu allen Ministerien. Schließlich soll der Bundespräsident im Ausland keine eigene politische Linie, sondern die Linie der Regierung vertreten. Mit anderen Worten: Der Bundespräsident ist zwar parteipolitisch nicht aktiv, aber sein Amt ist in die Tagespolitik eingebunden, damit er informiert bleibt. Es kann Tagespolitik nicht entscheiden, aber es hat Zugang zu allen, die Macht haben und Dinge in Bewegung bringen und entscheiden können. Zugang zu Entscheidern, Nähe zur Macht und doch unabhängig nach außen: Das ist, was die Bertelsmann Stiftung suchte, und das machte das Amt des Bundespräsidenten interessant für Werner Weidenfeld.
Der Bundespräsident steht über den Regierenden. Ob Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel, Karl Carstens, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Johannes Rau, Horst Köhler – alle Bundespräsidenten haben auf ihre Art wichtige Funktionen der Integration und Konsensbildung wahrgenommen. »Man darf vermuten, dass das Gewicht des Amtes in Zukunft noch wachsen wird«, prophezeite der Politikwissenschaftler Wolfgang Jäger 1994. »Angesichts des raschen und verwirrenden Wechsels von Szenen, Themen und Köpfen muss ein Amt an Bedeutung gewinnen, das nicht den Zwängen der › instant politics ‹, des auf den Augenblick fixierten, des nicht mehr agierenden, sondern nur noch reagierenden Handelns unterliegt.« 3 Je mehr das Regierungssystem an der »Kluft zwischen Sein und Schein, am Auseinanderfallen von Tun und Symbolik leidet«, desto mehr Bedeutung erlange ein Amt, das bereits im Grundgesetz auf die Einheit zwischen symbolischer Politik und politischem Handeln ausgelegt ist: das Amt des Bundespräsidenten. Jäger beschreibt es mit folgenden Worten: »Ein Politiker, dessen Tat
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