Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Wössner und Horst Teltschik gemeinsam Helmut Kohl begrüßten, hätte man denken können, es handelte sich um eine gemeinsame Veranstaltung von Familie Mohn, ihres Unternehmens und ihrer Stiftung, und das wäre nicht einmal falsch.
Aber die Mohns hielten sich im Hintergrund, Reinhard Mohn ist nicht einmal nach Bonn gekommen. Liz begrüßte Kohl als Mitglied des Beirats der Stiftung; formell gab jedoch Teltschik den Gastgeber, der Geschäftsführer der Stiftung. Für die Stiftung war die politische Bühne in Bonn eine ganz neue Erfahrung. »Es war unglaublich«, erinnert sich ein Mitarbeiter der Stiftung. »Wir waren damals ein kleiner Laden. Und plötzlich waren all die Staatspräsidenten und hohen Politiker auf unserer Veranstaltung.« Die Bertelsmann Stiftung war plötzlich bedeutend geworden.
Die Tagung bei Bonn und ein Besuch des Ehepaar Gorbatschow in Gütersloh blieben die eindrucksvollsten Ereignisse in der kurzen Amtszeit von Teltschik. Er kam zur Stiftung, weil es in der Politik für ihn keine Aufstiegsmöglichkeit gab. Die Stiftung war für ihn ein Verlegenheitsjob. »Ich wäre am liebsten in der Regierung geblieben«, sagt er im Rückblick. 8 Für die Bertelsmann Stiftung sei Teltschiks Einstieg »ein Kompliment, ihn gewonnen zu haben«, schrieb der Spiegel . Für den Bonner Politikapparat sei es »ein Armutszeugnis, dass er ihn nicht halten konnte«. Er blieb nur zwei Jahre in Gütersloh, dann wechselte er zu einem Automobilunternehmen nach München.
3. Auf dem Sofa des Bundespräsidenten – Das Staatsoberhaupt als wichtigster Verbündeter der Bertelsmann Stiftung
Im Juni 1996 wurde Reinhard Mohn 75 Jahre alt. Mohn machte sich offiziell nicht viel aus solchen Anlässen. Er wollte keine pompösen Feiern. Persönlichkeitskult sei ihm fremd, pflegte er seinen Mitarbeitern zu vermitteln. Seine Eitelkeit war die Askese. Er war einer der reichsten Männer, der Reichtum scheinbar verachtete. Doch seine Mitarbeiter glaubten, dass es ihm nicht gefallen würde, wenn man einen Anlass wie seinen 75. Geburtstag ungenutzt verstreichen ließe. Tatsächlich waren Geburtstage bei Bertelsmann immer Anlässe, um sich und die Öffentlichkeit zu beschenken. Es sind Termine für Gedenkschriften, in denen der Verlag und seine Besitzer ihr Image formen. Mohn wusste solche Anlässe geschickt zu nutzen. Dieses Mal wurde der Anlass genutzt, Einfluss auf die Politik auszuüben. Die Stiftung schenkte ihrem Stifter – so etwas war natürlich nur in engster Absprache mit ihm denkbar – zum Geburtstag ein Symposium über »Operative Stiftungsarbeit«.
Im April 1996 trafen sich Experten des Stiftungswesens aus dem In- und Ausland in Gütersloh. Sie kamen aus Deutschland, den Niederlanden, den USA, aus Japan, um zwei Tage lang über Führung und Strategie, Effektivität und Legitimität, über internationale Kooperationen sowie über Effizienz und Management zu diskutieren. »Die Bedeutung von Stiftungen für moderne Gesellschaften kann nicht hoch genug eingeschätzt werden«, sagte der Leiter der Tagung, Professor Werner Weidenfeld, in seinen einleitenden Worten. Ein Blick in den Raum zeige ihm, »dass wir in eine Art von internationalem Gipfeltreffen der Stiftungswelt eintreten in diesen beiden Tagen«.
Zwei Tage lang würden einflussreiche Personen Reinhard Mohn zu seiner Stiftung beglückwünschen und ihm versichern, wie bedeutend ihre Existenz und Arbeit seien. Von außen mag man darin wirklich nur eine Tagung erkennen. Doch die Bedeutung für die Stiftung war sehr viel größer, denn in Vorträgen, Debatten und in einem Tagungsbericht wurde festgelegt, was die Stiftung darf. Das Symposium wirkte damit auf die künftige Stellung der Stiftung ein und markierte einen von vielen Schritten hin zur Macht, die eigenen Ideen umzusetzen.
Eine Liste nennt 95 Teilnehmer: Aus der Familie Mohn nahmen Liz, Reinhard und Tochter Brigitte teil. Liz vertrat ihre Schlaganfall-Hilfe und den Beirat der Bertelsmann Stiftung. Brigitte arbeitete damals beim Buchverlag Bantam Doubleday Dell in New York, einem Tochterverlag der Bertelsmann AG. Zu den Gästen zählten der Stiftungsexperte Rupert Graf Strachwitz, Geschäftsführer des Maecenata Management GmbH, München, Luc Tayart de Broms, Geschäftsführer der King Baudouin Foundation, Brüssel, Joel L. Fleishman von der Duke University in den USA, Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Francis Charhon, Generaldirektor der Fondation de France, Paris, John
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