Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schuler
Vom Netzwerk:
zu propagieren.
    Als Wössner die Kommunikationsordnung im Sommer 1999 endgültig beerdigte, waren seine Mitarbeiter entsetzt. Vier Jahre Arbeit steckten in diesem Projekt. Sie sahen einen Stiftungs-Vorstandsvorsitzenden, der gewohnt war, wie ein Unternehmenschef zu agieren. Der Dinge durchsetzen will und der keine Geduld hat. Der Medienjournalist Uwe Kammann fragte sich im Mediendienst von epd, ob das plötzliche Ende des Projekts eventuell damit zu tun habe, dass Fernsehen für das Unternehmen Bertelsmann nicht mehr an erster Stelle stehe. Das markierte eigentlich das Ende der Aktivitäten, auch wenn sie noch einige Jahre weiter liefen. Mit diesem Fehlschlag hatte dieser Bereich seine Aufgabe verloren. Vor allem auch deshalb, weil die Politik sich auf das Marktmodell geeinigt hatte. Der Konzern hatte erreicht, was er wollte. Ob die Stiftung sich mit ihren Aktivitäten durchsetzen könnte, war plötzlich zweitrangig geworden.
    Sie arbeitete weiter an einer neuen Kommunikationsordnung und im Jahr 2000 – also ein Jahr später – legte sie unter dem Namen Kommunikationsordnung 2010 einen neuen Bericht vor, der ziemlich genau den Vorschlägen der umstrittenen Kommunikationsordnung 2000 glich. »Anknüpfend an die 1997 formulierte Kommunikationsordnung 2000 wurden zu Beginn des Jahrtausends die Regulierungsprämissen überprüft und mit den Herausforderungen des Internet-Zeitalters konfrontiert«, schrieb Ingrid Hamm. Autoren waren dieselben Mitglieder der Vorgängerkommission, also Kurt Biedenkopf, Wolfgang Clement, Peter Glotz, Jo Groebel, Manfred Lahnstein, Mark Wössner, Dieter Stolte und Reinhard Mohn. Im Gegensatz zum Bericht über die Lage des Fernsehens war kein unabhängiger Bericht angestrebt. In der neuen Kommunikationsordnung wurde sogar betont, dass die Verantwortung für das sogenannte »Zukunftspapier« allein die Bertelsmann Stiftung trägt.
    Die Stiftung versuchte in dem Papier, den Rahmen zu bestimmen, in dem das Unternehmen seine Geschäfte machte. Sie tat das geschickt und außer wenigen Fachleuten und einer Handvoll Medienkritikern fiel das niemandem auf. Die wenigen Berichte verschwanden kaum gelesen in den Archiven und niemand regte sich auf. Niemand schrie »Skandal!« Selbst die Medienkritiker vergaßen dieses Vorgehen. Warum auch nicht? Die Stiftung hatte kaum Erfolge erzielt. Bertelsmann agierte glücklos mit seinen Plänen für niveauvolles Fernsehen. VOX war gescheitert. Die Medienanstalten beugten sich der Realität. Die Öffentlichkeit schien sich nicht dafür zu interessieren und später stürzte Kirch in die Pleite. In Gütersloh konnte man annehmen, alles richtig gemacht zu haben.
    Was soll man von den Medienaktivitäten der Stiftung halten? In seinem Konferenzbericht im Juni 1999 versuchte Lutz Meier, ein ehemaliger Teilnehmer am Seminar für kritischen Medienjournalismus, in der Berliner tageszeitung ( taz ) deutlich zu machen, was die Stiftung eigentlich treibt. Mit einem einfachen Vergleich riss er der Stiftung, die ihr Engagement gerne in Worte der Gemeinnützigkeit kleidet, die Maske vom Gesicht. Er verwendete das Wort Korruption und fragte: »Was wäre davon zu halten, wenn sich die vereinigten Steuerflüchtlinge zusammenfänden, dem Staat eine Reform der Finanzprüfung vorzuschlagen? Wie sähe es aus, wenn sich die zur Nachprüfung verdonnerten Autobahnraser mit dem Verkehrsminister träfen, ihm einen von Grund auf neu konzipierten Bußgeldkatalog schmackhaft zu machen? Privatinteressen zu Gemeinwohldenken umzudefinieren, gehört längst zum kleinen Einmaleins der Politikberatung. Man kann es Lobbying nennen oder lean corruption .« 9 Wenn aber die Bertelsmann Stiftung, die Deutschlands größten Medienkonzern besitzt, in Sachen Medienpolitik tätig wird, dann »sieht es ganz anders aus«, merkte Meier ironisch an.
     
    Die Stiftung sucht sich ihre Projekte selbst aus, aber man darf fragen, wieso sie ausgerechnet Probleme des Marktzuganges und der Aufsicht diskutieren wollte und diese Diskussionen mit Gutachten flankierte, die zufälligerweise die öffentlich-rechtliche Konkurrenz behindern und die eigenen Sender fördern. Man darf auch fragen, wieso sie nicht den Parteieneinfluss auf die öffentlich-rechtlichen Sender als eigentliches Problem thematisiert hat. Würde dieser Einfluss der Parteien gemindert und die Unabhängigkeit gestärkt, wäre das sicher ein Dienst für die Allgemeinheit. Dass das Unternehmen Bertelsmann den Markt stärken will, ist verständlich, aber

Weitere Kostenlose Bücher