Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
sprach der Aufsichtsratsvorsitzende im Namen seines Unternehmens – allerdings in einem Moment, in dem er die Gäste als Stiftungsvorstand begrüßte.
Die Stiftung scheiterte mit ihrem Projekt, die Aufsicht zu reformieren. Zwei Tage lang musste Mark Wössner mit ansehen, wie mit alten Argumenten eine alte Debatte um einen neuen Begriff geführt wurde und nichts dabei herauskam. Sogar der ARD-Vorsitzende Peter Voß war für die Konferenz nach Gütersloh gekommen. Als einige Berater der Stiftung, darunter ZDF-Intendant Stolte, im Januar 1999 in kleiner Runde die Konturen der Debatte festlegten, wähnte Voß, die Debatte um den Funktionsauftrag könnte nur ein Vorwand sein, um die ARD zu schwächen, und er verweigerte weitere Gespräche. Nun machte er klar, wie wenig er von einer neuen Begriffsbestimmung von Rundfunk hält.
Dazu kam, dass die Stiftung dem bayerischen Staatsminister Erwin Huber selbst die Vorlage für eine Blockade geliefert hatte: Ein juristisches Gutachten, das die Stiftung finanziert hat, ergab, dass eine gemeinsame Aufsichtsbehörde von Bund und Ländern eine Verfassungsänderung nötig machte. Dem werde Bayern nie zustimmen, sagte Huber, sodass der Moderator der Konferenz, Peter Glotz, eine Stunde nach Beginn nüchtern feststellen musste, nun sei die Luft eigentlich aus der ganzen Diskussion raus. Am Ende sagte ZDF-Intendant Dieter Stolte enttäuscht, das ganze langweile ihn. Die Stiftung und ihre Berater seien morgens »wie Adler angetreten, um eine Bund-Länder-Anstalt einzurichten«, sagte Wössner. »Abends waren es nur mehr Suppenhühner.« Glotz legte nahe, eine Fortführung der Debatte sei »nicht sinnvoll«.
Wössner ist mit seiner Stiftung an die Wand gefahren. Damit scheiterte das Unternehmen beim Versuch, mit Hilfe der Stiftung aus angeblicher Sorge um das Gemeinwohl eigene Ziele zu verfolgen. Und damit scheiterte die Stiftung ganz grundsätzlich, weil deutlich wurde, dass sie Eigennutz vor Gemeinwohl stellte. Die Öffentlichkeit nahm davon nur begrenzt Notiz. Das Thema interessierte nur Insider und war letztendlich zu kompliziert, aber immerhin führte sie dazu, dass sich die Stiftung 2002 aus dem Bereich Medien zurückzog.
Ähnlich war es mit der Vergabe des Carl Bertelsmann-Preises, den die Stiftung 1998 einer amerikanischen Selbstkontrollinitiative im Internet und der kanadischen Aufsichtsbehörde für Rundfunk und Telekommunikation verliehen hat. Die kanadische Behörde agierte so, wie sich das die Manager von Bertelsmann und die Gutachter, die im Auftrag der Stiftung tätig waren, von einer deutschen Behörde wünschten. Gleiches gilt für die Selbstregulierung des Internets, hat doch der Vorstandsvorsitzende von Bertelsmann, Thomas Middelhoff, beim Ausstieg aus dem Pay-TV-Sender Premiere verkündet, man werde den Schwerpunkt der Aktivitäten auf das Internet verlegen und bald sogar Pay-TV auf diesem Wege veranstalten. Damals fürchtete man bei Bertelsmann, die Medienaufsicht könnte auf die Idee verfallen, auch diesen Bereich zu regulieren.
Allerdings muss man zugeben, dass die Ideen der Stiftung auch Konkurrenten des Konzerns zugute kamen. Ob man Norbert Schneider fragte, den damaligen Vorsitzenden der Rundfunkaufsichtsbehörden, den damaligen Sat1-Geschäftsführer Jürgen Doetz oder Dieter Stolte, den damaligen ZDF-Intendanten: Alle sagten, sie seien der Stiftung dankbar, weil es kein anderes derart hochkarätiges Forum gäbe, um die Zukunft der Medienpolitik zu diskutieren. Und der Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister meinte, nicht der Stiftung, sondern den Politikern sei der Vorwurf zu machen, dass sie »eine Diskussion unter dem Vorwand lahmlegen, dass sie geführt wird«. Der Konzern versuche »durch, zugegeben, sehr geschickte und auch subtile Methoden eine Debatte zu steuern«. Bestimmte medienpolitische Modelle, an denen der Konzern kein Interesse habe, kämen in der Debatte nicht vor: Dazu zählte Hachmeister das Modell des britischen Channel 4, bei dem öffentlich-rechtliche und kleinere private Unternehmer kooperierten. Jahre zuvor hatte die Stiftung ausgerechnet diesen Sender als vorbildlich ausgezeichnet.
Funktionierte Mohns Stiftungsphilosophie, erfolgreiche Konzepte aus dem Ausland zu importieren, vielleicht doch nicht so einfach, wie er immer dachte? Ausgerechnet dem eigenen Unternehmen passten die Vorbilder, die die Stiftung vorschlug, offenbar nicht ins Konzept. Und die Stiftung unternahm nichts, dieses Konzept gegen den Willen ihres Unternehmens weiter
Weitere Kostenlose Bücher