Berthold Beitz (German Edition)
anderen, bei allen Unterschieden, so etwas wie eine verwandte Seele, und er weiß, wie rar solche Verwandtschaften sind. »Er war«, so Beitz, »ein bescheidener, zuverlässiger, ehrlicher Mann.«
Und ein Mann von der anderen politischen Seite. In einer Bombennacht Anfang 1945 hat Otto Brenner an seine Frau Martha geschrieben, er sehne den Frieden zwar herbei: »Aber was heißt schon Frieden? Wir können uns zunächst nur das Kriegsende wünschen. Denn wahren Frieden wird es im Kapitalismus für uns nicht geben.«
Der Sozialist von damals wird nun also ein Freund des Kapitalisten vom Hügel, übrigens mit Wohlwollen des alten Krupp, wie sich Beitz erinnert: »Er hat nicht gemeckert, dass ich eine gute Verbindung zu Otto Brenner und überhaupt zu den Gewerkschaften hatte.« Brenner ist oft zu Gast in Beitz’ Haus. Einmal warnt die Sekretärin des IG -Metall-Chefs Beitz vor: »Dem Herrn Brenner geht es nicht so gut, den tragen sie bald mit beiden Beinen voran zur Tür heraus!« Und tatsächlich erscheint Brenner blass und krank, er leidet an Herzproblemen und Kreislaufschwäche, ist aber nicht bereit, seinen erschöpften Körper zu schonen. Beitz lässt ihn nicht gehen: »Sie müssen etwas tun und sich vor allem einmal schonen.« Er überredet den Freund, sich vier Wochen in die Krupp-Klinik zu begeben.
Bei aller Freundschaft verbinden die zwei Männer 1966/67 gemeinsame Interessen: Beide wollen Krupp über Wasser halten und vor dem Zugriff der Banken retten: Beitz als Vertreter des Eigentümers, Brenner als jener der Arbeitnehmer, die um Zehntausende Jobs und um die Montanmitbestimmung bei den Fried. Krupp Hüttenwerken fürchten. »Die vorbildliche soziale Betreuung der Arbeitnehmer, die stets ein besonderes Kennzeichen des Namens Krupp war, muss erst recht in ernsten Zeiten erhalten bleiben!«, mahnt Brenner 1967.
Beitz handelt rasch. Er beruft Otto Brenner – »da Sie für die vielfältigen Probleme des Konzerns, besonders in letzter Zeit, stets besonderes Verständnis gehabt haben« – in den 1968 gebildeten Aufsichtsrat der Fried. Krupp GmbH, und zwar auf die Eigentümerseite. Das ist unerhört, jedenfalls in den Augen des Arbeitgeberlagers, das nun Beitz wie einen Verräter mit wütender Kritik bombardiert. Beitz freut sich noch heute über seinen Coup: »Als ich den Otto Brenner in den Aufsichtsrat hereinnahm – was haben die sich alle aufgeregt, Herr Sohl, Herr Berg und die anderen vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Die hätten mich am liebsten aufgehängt, die haben gesagt: Der Beitz ist verrückt! Die fühlten sich eine Etage höher als die Arbeitnehmer. Aber das merken die Leute, wenn man ihnen das Gefühl geben will, ich bin der Herr und du bist der Knecht.« Klassendünkel stoßen ihn ab: »Für mich war die gute Verbindung zu Otto Brenner ganz selbstverständlich.«
Der Coup zeigt Beitz’ Gegnern jedenfalls, dass sie noch mit ihm zu rechnen haben. Die Mehrheitsverhältnisse und die Machtbalance im Aufsichtsrat sind nur schwer berechenbar, wenn mitten unter den Vertretern der Eigentümer der »eiserne Otto« sitzt. So nennt man den überzeugungsstarken Brenner bei der IG Metall. Beitz hat, wie so oft, den Instinkt, den richtigen Menschen zu vertrauen. Und wenn er genug Vertrauen gefasst hat, handelt er ohne Scheu vor Tabus und völlig unideologisch. In einer Zeit, in der sich noch viele Industrielle gebärden, als seien die Gewerkschaften von Lenins roten Garden durchsetzt, verbündet er sich mit einem linken Gewerkschaftsboss. Und der Tag ist nicht fern, an dem sich der Pakt auszahlen wird.
»WIR WÄHLEN SIE JETZT AB«:
DER AUFSTAND GEGEN ABS
Denn die Konflikte reißen nicht ab. In einem persönlichen Brief vom 25. September 1968 rechnet Abs mit Beitz ab. Es sei müßig, »erneut darüber Gedanken anzustellen, worauf letzten Endes die kritische Entwicklung des Hauses Krupp … zurückzuführen ist«, schreibt der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, um dann ebendiese Gedanken ausführlich auszubreiten. Alfried Krupp habe »als an der täglichen Geschäftsführung nicht beteiligter Inhaber Verantwortungen [getragen], die er eigentlich nicht tragen konnte«. Dies stehe »Ihnen wie mir deutlich vor Augen«. Schließlich habe Beitz durch die Umwandlung des Konzerns und die Berufung Vogelsangs, »einer Persönlichkeit, die der Schwierigkeit der Aufgaben gewachsen erscheint, die entscheidende Folgerung aus der von Ihnen nicht verkannten Lage, wie sie sich um die Jahreswende 1966/67
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