Berthold Beitz (German Edition)
vieles, was andere Menschen Freundschaft nennen.
DER VERBANNTE VOM HÜGEL
In den zwei Tagen vor der Beisetzung von Alfried Krupp 1967 haben insgesamt 18 000 Menschen Abschied genommen von dem Mann, mit dem ein Zeitalter zu Ende gegangen ist. Der Patriarch, dem seine »Kruppianer« wichtiger gewesen sind als die kalte Ratio der Zahlen, lebt nicht mehr. Für Berthold Beitz beginnt nun eine neue Ära – die des Kampfes um Krupp.
Und sie beginnt nicht gut. Im Konzern haben Abs und Vogelsang das Sagen, sprich: die Banken und der Vorsitzende des neu geschaffenen Vorstands. Die Banken wollen nicht Beitz als Aufsichtsratsvorsitzenden, sondern jemanden, der unabhängig von der Stiftung ist. Abs übernimmt den Vorsitz kurzerhand selbst. »Darüber war Beitz sehr enttäuscht«, meint Vogelsang im Rückblick. »Die Banken hatten ihm keine Führungsverantwortung übertragen, das war für ihn nicht leicht zu ertragen.« Abs ist Sieger – für den Moment.
Der mächtige Industrielle und der einflussreichste Banker, das ist fast eine »Hassliebe«, so hat Berthold Beitz selbst einmal ihr Verhältnis beschrieben. Hermann Josef Abs, erzählt er Golo Mann, sei jemand, »der im Mittelalter als Papst oder Kardinal die Puppen an den Fäden gezogen hätte«. Unter den deutschen Bankern sei er »die brillanteste Figur, die ich je gesehen habe«. Der so Beschriebene wiederum hat einmal und wohl keineswegs ohne Bedauern gesagt: »Beitz ist wie eine Katze, er fällt doch immer wieder auf die Beine.« Genau das wird der Banker bald selbst erfahren.
Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und als Leiter der Stiftung verfügt Beitz vorerst jedoch über kein ausreichendes Gegengewicht, zumal die Stiftung durch die schlechte Finanzlage nur einen Jahresetat von zwei Millionen Mark hat. Wenn Beitz in dieser Zeit dem geplanten Schulfernsehen 1000 TV -Apparate stiftet und einige »künstliche Nieren«, also Dialysegeräte, an Krankenhäuser gibt, sind das schon die größten Zuwendungen, zu denen er anfangs in der Lage ist. »Der ist weg vom Fenster«, meinen nicht wenige Ruhrmanager zufrieden.
Unter Vogelsang gelingt die Sanierung des Konzerns in überraschend kurzer Zeit. Sein Vorteil: Er war lange genug bei Krupp, um die Firma in- und auswendig zu kennen. Zugleich ist er lange genug fort gewesen, um ohne falsche Rücksichten handeln zu können. »Das ist wie mit den Zutaten zu einer guten Suppe«, sagt Vogelsang heute bescheiden über die Einzelheiten seines Sanierungswerks. Eine dieser Zutaten ist gewiss die allgemeine Erholung der Wirtschaft nach 1968, die ihm sehr zugutekommt. Freilich geht Vogelsang 1967 mit Umsicht und nicht ohne Härte vor. Er stößt Beteiligungen ab und verkauft, anders als es Alfried Krupp geduldet hätte, Verlustbringer. Als Erstes muss die Lastwagenfabrik dran glauben, in der 3200 Beschäftigte nur noch 1500 Fahrzeuge im Jahr herstellen; die Marktführerschaft haben längst andere, wie MAN und Daimler-Benz. Bald wird es die traditionsreichen Konsum-Läden treffen, die konzerneigene Supermarktkette, die es den Angestellten ermöglichte, mit einer Vielzahl von Rabatten und Sondermarken beim eigenen Arbeitgeber einzukaufen. Die ohnehin nicht mehr heile Welt des bis zu Alfried Krupps Tod patriarchalisch, aber großzügig geführten Konzerns verändert sich nun sehr rasch. Dafür macht Krupp schon 1969 wieder 63 Millionen Mark Gewinn und trägt Bankschulden ab.
Letztere sind zum Glück doch nicht so hoch, wie befürchtet, denn am Ende hat man die Bürgschaft von 300 Millionen D-Mark, die 1967 in jener theaterreifen Inszenierung von Schiller verkündet worden ist, dank des Wiederaufschwungs überhaupt nicht in Anspruch nehmen müssen. Das ist ein mehr als deutliches Indiz dafür, dass die Banken 1967 die Lage übertrieben schwarz gesehen haben – oder sehen wollten. Ende 1969 gibt die AKA das für Krupp vorgesehene, letztlich aber nicht benötigte Geld an die Bundesrepublik zurück und verzichtet auf weitere Sondersicherheiten. Entsprechend stolz verkündet die Firma: »Eine Inanspruchnahme des Bundes aus der Bürgschaft und damit der Einsatz öffentlicher Mittel für das Unternehmen ist nicht erfolgt.«
Im Grunde stehen sich nun mit Vogelsang und Beitz zwei Männer gegenüber, die, was die Führung des Unternehmens angeht, von der Devise überzeugt sind: Es kann nur einen geben, und das bist nicht du. Darüber hinaus trennen die beiden grundsätzliche unternehmenspolitische Überzeugungen. Vogelsang
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