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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Vogelsang: »Er fühlte sich übergangen, aber dann hat er gemerkt, dass das keine abgekartete Sache war.« Vogelsang wäre niemals hinter Beitz’ Rücken zu Krupp gegangen, weil er wusste: »Alle Probleme hat er mit Beitz besprochen und umgekehrt. Das haben alle gesehen und bewundert. Für Berthold Beitz war das ja eine große Entscheidung: Er hat die Führung von Alfried Krupp stets akzeptiert und gefördert, damit hat er sich selbst zurückgenommen.«
    Manches setzten die beiden Männer stillschweigend voraus, so erstaunlich das nach außen hin scheinen mag. So war die Vergangenheit kein Thema, das sie ausführlich debattiert hätten. Alfried Krupp wusste, dass sein Generalbevollmächtigter mit weißer Weste aus dem Krieg gekommen war. Es wird zu dem Respekt beigetragen haben, den er für Beitz empfand. Beitz wiederum wollte, dass Alfried Krupp ihn um seiner selbst willen respektierte. Und er schätzte an Krupp, dass dieser sich nicht als Opfer gerierte. »Er sprach niemals schlecht über die Briten und Amerikaner, obwohl sie ihn verurteilt hatten«, sagt er im Rückblick. »Und er hat nie geklagt über seine Jahre in der Haft.« Für Beitz genügte es, dass sie die Gegenwart nicht länger bestimmte. Beitz, der Unbelastete, war der Architekt des neuen, gewendeten Krupp-Konzerns, aber ohne das Einvernehmen mit dessen Inhaber hätte er dies niemals sein können.
    Alfried Krupp brauchte Beitz auch, weil er wohl instinktiv wusste, wie sehr ihm die eigene Persönlichkeit als Unternehmenslenker im Wege stand. Er rauchte lieber Kette, als lange zu sprechen, fühlte sich sichtbar unwohl in größeren Gruppen. Und doch war gerade Alfried Krupp derjenige, der die soziale Verantwortung für seine Kruppianer als Leitmotiv seiner Unternehmensplanung begriff. Das Geschäft, das Reden und Kommunizieren, das Ertragen und Austragen so vieler Konflikte, das Führen von so vielen Menschen lagen ihm nicht. »Er ließ mich machen«, sagt Beitz heute, um nachdenklich hinzuzufügen: »Er war innerlich gar nicht bereit, die Firma zu führen.«
    Der junge Generalbevollmächtigte erfuhr bald, was die alte Bertha Krupp bei jener Teestunde mit der Bemerkung gemeint hatte, »unangenehme Sachen« lägen Alfried nicht. Die waren von nun an sein Job. Berthold Beitz leitete die Sitzungen des Direktoriums und setzte dort den Willen des Alleininhabers gegen alle Widerstände durch; er kümmerte sich, wie im Fall Harald von Bohlens, sogar um heikle Familienangelegenheiten. Berthold Beitz entließ unliebsame Mitarbeiter, während der Chef im Ausland weilte. Berthold Beitz kreuzte die Klingen mit Bundeskanzler Adenauer im Streit um die Verkaufsauflage und die Versöhnung mit Polen. Berthold Beitz warb in den USA für die neue Firma Krupp, die aus dem Schatten der Kanonenkönige getreten war – und wer, wenn nicht er, konnte das glaubhaft tun?
    Diese Nähe, die es Beitz erlaubte, dem stillen Mann die »unangenehmen Dinge« abzunehmen, ging tief ins Private hinein. Es war Berthold Beitz, der den unglücklichen Arndt von Bohlen und Halbach vom Sinn des Erbverzichts überzeugte und so das Großunternehmen für die Zukunft bewahrte. Es war Beitz, der Alfried davon abhielt, dessen Exfrau Annelise, Arndts Mutter, in Mittellosigkeit sitzen zu lassen. Und es war Beitz, der ihn überredete, die Villa Hügel, das verhasste Elternhaus, 1953 nicht einfach für eine Mark an die Stadt Essen zu geben, sondern eine Kultureinrichtung daraus zu machen: »Herr von Bohlen, Sie können doch nicht einfach Ihr Elternhaus verkaufen!«
    Nach Alfried Krupps Tod gab es keinen solchen symbiotischen Bund mehr. Niemals im langen Leben von Berthold Beitz sollte er sich wiederholen, auch dann nicht, als er selbst der Ältere, Mächtigere war. Eine Nähe wie zwischen dem einsamen Konzernherrn und seinem Generalbevollmächtigten stellte sich nicht wieder ein. Nach 1967 ging Berthold Beitz seinen Weg allein.
    Die Beziehung zwischen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Berthold Beitz gehorchte eigenen Regeln, die beide Männer Distanz wahren ließen und sie doch so eng zusammenführten, dass niemand das Bollwerk ihres Vertrauens zu erschüttern vermochte. Wäre, wie in Friedrich Schillers Ballade »Die Bürgschaft«, einer gekommen wie Dionysos, der Tyrann von Syrakus (»Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte«), so hätte er keinen Platz gefunden. Zwischen dem Firmeninhaber und seinem Generalbevollmächtigten war eine Nähe entstanden, die größer war als

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