Berthold Beitz (German Edition)
stellte, gezogen«.
Das ist schierer Sarkasmus, der im Klartext bedeutet: Beitz selbst sei diese Persönlichkeit nicht, sondern trage ganz im Gegenteil die Schuld an der Krise des Konzerns. Abs schließt mit der Warnung, den Vorstand in Ruhe zu lassen: »Ein Konzern, dessen Bilanzsumme praktisch nur noch zum zehnten Teil aus Eigenmitteln besteht, hat noch einen weiten Weg zur Konsolidierung vor sich, der den vollen Einsatz der berufenen Hauptverantwortlichen im Vorstand nötig macht. Das erfordert … ein gutes Verhältnis zu Ihnen und zum Aufsichtsrat.« Es werde daher »eine Aussprache mit Ihnen und Herrn Brenner im Präsidium des Aufsichtsrats nötig sein«.
Es ist eine Demonstration der Macht: Beitz, so die Botschaft, müsse lernen, sich zu fügen. Kurz vor Weihnachten 1968 schlägt der so harsch Kritisierte jedoch zurück. Umrankt von den üblichen Höflichkeitsfloskeln, stellt der Stiftungsvorsitzende Berthold Beitz die Machtfrage: »Die Stiftung steht der Fried. Krupp GmbH nicht nur als eine an jährlichen Ausschüttungen interessierte Gesellschafterin gegenüber. Sie ist dem Unternehmen vielmehr – um im Bilde zu bleiben – wie eine Mutter verbunden, die über das Wohl ihrer Tochter zu wachen hat.«
Und diese Mutter folgt strengen Prinzipien, die nicht einfach durch die Macht des Geldes und der Geldgeber, der Banken, zu brechen sind. »Sehr am Herzen liegt mir«, so Beitz weiter, »daß in der Fried. Krupp GmbH jener Geist erhalten bleibt, aus dem sich der Begriff des ›Kruppianers‹ entwickelt und der durch Generationen hindurch alle Mitarbeiter des Hauses Krupp erfüllt hat. Ohne diesen Geist wäre es nicht möglich gewesen, das Unternehmen aus den Trümmern des Jahres 1945 heraus wieder aufzubauen. Ich muß daher nicht nur die äußere, sondern auch die innere Entwicklung des Unternehmens aufmerksam verfolgen. Denn die Stiftung soll … die Einheit des Unternehmens, dem Willen der Vorfahren des Stifters entsprechend, auch für die fernere Zukunft wahren.« Dies habe »Herr von Bohlen in seinem Testament wörtlich verfügt«.
Der Testamentsvollstrecker und Stiftungsvorsitzende Beitz als Erbe Alfrieds, als Lordsiegelwahrer der Krupp’schen Version eines Kapitalismus mit menschlichem Angesicht, dazu Brenner, der den Kapitalismus domestizieren will – das ist nichts, was Abs hinnehmen kann. Er betrachtet sich als den Retter und Beitz als Mann von gestern. Die Spannungen verschärfen sich. Beitz’ ohnehin wenig ausgeprägte Neigung zur Nachgiebigkeit wird keineswegs größer, als er Ende 1969 im Aufsichtsrat auf sein Drängen hin erfährt, dass »die vor dem AKA -Finanzierungsstopp im Dezember 1966 erhaltenen größeren Aufträge im Anlagengeschäft für Ost-Länder mit sehr guten Ergebnissen von etwa 20 % Gewinn abgeschlossen« haben. Das lässt die Finanzschwäche und die Konzernführung des Jahres 1966 in neuem Licht erscheinen: Das Polen-Geschäft von 1966 – jene Lieferung eines Chemiewerks, an der sich die große Krupp-Krise entzündet hatte – hat unter dem Strich einen soliden Gewinn erbracht.
Schon Ende 1968 schreibt Werner Krüger, nunmehr ausgeschiedener Chef der Dresdner Bank, der keine zwei Jahre zuvor noch zu seinen Gegnern gezählt und am Bonner Konferenztisch so grimmig dreingeblickt hat, an Beitz: »Eine der schwierigsten Zeitspannen, die das Haus Krupp zu überwinden hatte, kann als im Wesentlichen beendet angesehen werden.« Der Kreditbedarf sei »sichergestellt«, »für die Exportfinanzierungen über die AKA giltkünftig wieder das normale Schema«. Überraschend offen kritisiert der immer noch mächtige Banker schließlich »die Einstellung und Verhaltensweise fast aller mit dem Hause Krupp verbunden gewesenen Kreditinstitute« in »der damaligen Situation«.
Der Brief ist eine erste Abbitte aus berufenem Munde, nur zwei Jahre nach der Krise. Es sei falsch gewesen, so Krüger, dass sich diese Institute den neuen Krediten verweigerten und dass »man versuchte, oft mit allen Mitteln, aus bestehenden Kreditvereinbarungen herauszukommen. Das ging so weit, daß frühere, mündlich gegebene Zusagen mit dem Hinweis auf die fehlenden schriftlichen Bestätigungen als gegenstandslos erklärt wurden.« Für diese Haltung der Banken macht Krüger die AKA verantwortlich, die Ende 1966 beschlossen habe, »die Bearbeitung von Exportfinanzierungsanträgen generell von der Übernahme der 100%igen Vorhaftung der einbringenden Bank abhängig zu machen«. Das heißt: Das Risiko wurde von der
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