Berthold Beitz (German Edition)
AKA auf die einzelnen Banken verlagert, was eine Art Panik auslöste. »Wir waren überrascht und schockiert«, schreibt Krüger, und so sei es zur Krupp-Krise 1967 gekommen, obwohl sich gerade »gewisse Möglichkeiten der Konsolidierung ergaben«. Die Dresdner Bank »und auch einige andere Banken« seien zwar dennoch bereit gewesen, notfalls selbst zu haften, das habe aber nichts mehr geändert.
Beitz empfindet diese offenherzigen Aussagen als eine Art Freispruch. Sie bedeuten ja nichts anderes, als dass Panik im Bankenlager und nicht primär hohe Firmenschulden der eigentliche Auslöser für die »Krise Krupp« waren – dass also, wie er Krüger ein wenig grimmig antwortet, »die damaligen Finanzierungsprobleme auch Ihrer Auffassung nach anders hätten gelöst werden können … und daß der Öffentlichkeit gegenüber in unnötiger Weise der Eindruck erweckt wurde, der Staat habe intervenieren müssen«. Beitz fühlt sich in seiner Vermutung bestätigt, dass er und Alfried Krupp in der Krise Opfer eines unlauteren Spiels um Macht und Geld geworden sind, in dem die Banken die Regeln diktiert haben. Ausgerechnet deren Frontmann sieht er nun jedes Mal am Kopfende des Konferenztisches sitzen, sobald der Aufsichtsrat der Fried. Krupp GmbH zusammentritt: Hermann Josef Abs.
Der Bankier hat zwar nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den Aufsichtsrat von Krupp nicht dauerhaft leiten wird. Er will eines Tages abtreten, wenn sein Reformwerk vollbracht ist, aber diesen Tag möchte er selbst bestimmen. Er wird die Dinge später gern so darstellen: Demnach kam er, Abs (denn es brauchte einen großen Mann zur Rettung von Krupp), sah (ordnete die Dinge) und siegte (und ging nach vollbrachter Tat).
Tatsächlich aber wird er vor der Zeit gestürzt – von Berthold Beitz und Otto Brenner. Dem Stiftungschef kommt zu Beginn des Jahres 1970 etwas zu Ohren, was ihm gar nicht gefällt: dass nämlich »Herr Abs nicht die Absicht habe, jetzt schon sein Amt des Vorsitzenden des Aufsichtsrates niederzulegen. Er habe vielmehr die Absicht, den Vorsitz bis Ende 1971 wahrzunehmen.« Beitz aber hat eine Aktennotiz 1967 gut aufbewahrt, in der er schrieb: »Herr Abs [hat] erklärt, daß er jederzeit bereit sei, von seinem Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Fried. Krupp GmbH zurückzutreten, wenn ich ihn darum bitte.« Auch habe, wie er später sagt, Abs ihm versprochen, nach drei Jahren den Führungsposten freizumachen. Abs will davon, als die Stunde schlägt, jedoch wenig wissen. Am 5. März 1970 beginnt deshalb der Putsch gegen den mächtigen Bankchef. Brenner und Beitz bitten Abs zu einer Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats, das nur aus ihnen dreien besteht. Beitz wie Brenner halten die Geschehnisse anschließend schriftlich fest.
Abs ist überrascht, als ihn Beitz zum Rücktritt auffordert. Sie haben ihn kalt erwischt. »An unsere Verabredung … auf meinen Wunsch hin jederzeit zurückzutreten, wollte Herr Abs sich nicht genau erinnern und versuchte auszuweichen«, notiert Beitz. Abs lehnt eine vorzeitige Demission ab.
Otto Brenner führt nun den zweiten Streich und eröffnet Abs: »Dann werden Sie in der Sitzung des Aufsichtsrates gleich abgewählt.« Der Noch-Vorsitzende kontert: »Ich lasse mich nicht auf diese Weise unter Druck setzen, und ich empfinde Ihr Vorgehen als Pression!« Als gewiefter Taktiker verweist er auf die Tagesordnung. Aufsichtsratspersonalien sind darin nicht vorgesehen; und kann man Beschlüsse zu Dingen fassen, die gar nicht behandelt werden? Wohl kaum. Außerdem lasse sich das Programm nur durch einhelligen Beschluss ändern, und einem solchen Beschluss werde er, Abs, nun gewiss nicht zustimmen. Beitz bleibt hart: »Wenn Sie widersprechen, womit ich gerechnet habe, dann wird es auf der nächsten Sitzung des Aufsichtsrates in acht Tagen nur einen einzigen Punkt geben: die Neuwahl des Vorsitzenden.«
Beitz wird hinaus zum Telefon gerufen, Brenner setzt drinnen nach. Abs solle doch in der folgenden Sitzung des Aufsichtsrats erklären, er werde bald zurücktreten: »Das ist doch auf jeden Fall besser, als sich der Peinlichkeit auszusetzen, unter Umständen abgewählt zu werden.« Abs hat das Spiel verloren.
Vorstandschef Vogelsang, der zu den Aufsichtsräten sprechen soll, hört vor Beginn der anschließenden Sitzung zu seinem nicht gelinden Erstaunen, wie die Vertreter des Beitz-Lagers den Ihren am Konferenztisch zuflüstern: »Heute nicht, heute nicht!« Der Showdown einer offenen Abwahl ist
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