Berthold Beitz (German Edition)
verteidigt das Prinzip, wonach die Arbeit des Vorstands frei sein müsse: »Nur bei großen Entscheidungen, aber sonst nicht, braucht er die Zustimmung des Aufsichtsrates.« So versucht er gleich zu Beginn – allerdings vergebens –, sich ein Vetorecht bei der Vergabe von Vorstandsposten durch den Aufsichtsrat zu sichern. »Auf diese Weise«, lässt ihn Beitz daraufhin wissen, »würde eine der wesentlichen Kompetenzen des Aufsichtsrats ausgehöhlt und materiell auf den Vorstandsvorsitzenden übertragen, in dessen Hand es praktisch liegen würde, die Zusammensetzung des Vorstands zu bestimmen.« Beitz wiederum, von Krupp geprägt, will keine zu große Autonomie der Vorstände, damals in den sechziger Jahren genauso wenig wie vierzig Jahre später. »Die Vorstände«, so Beitz 2009, »denken ja gerne, ihnen gehöre das Unternehmen. Das stimmt aber nicht. Sie sind nicht Eigentümer, sondern Angestellte, sie verwalten fremdes Geld. Und ich habe immer gesagt: Ich vertrete den Eigentümer, Alfried Krupp, der mir bis an mein Lebensende die Vollmacht dazu gegeben hat.«
Was ihm Vogelsang und Abs anfangs zugestehen, wirkt wie eine Fortsetzung der Demütigungen, die er schon hat erfahren müssen: »Bei bedeutenden ausländischen Persönlichkeiten des politischen Lebens soll es Anliegen des Vorstandes der Fried. Krupp GmbH sein, auch eine Begegnung mit Herrn Beitz herbeizuführen und seine Teilnahme bei etwaigen Einladungen zu berücksichtigen.« Das soll wohl heißen: Auf Empfängen bella figura machen, das kann er ja – falls wir daran denken, ihn einzuladen.
Dabei unterschätzen Abs und Vogelsang seine Bedeutung als Vertreter des alleinigen Eigentümers, nämlich der Stiftung. Schon Ende 1968 setzt er durch, »daß Herr Vogelsang Herrn Beitz in regelmäßigen Zusammenkünften über alle wesentlichen unternehmenspolitischen Planungen und geschäftlichen Vorgänge unterrichtet«. Von einer solchen Unterrichtungspflicht des Vorstands gegenüber Beitz ist anfangs nicht die Rede gewesen.
DER FREUND VON DER ANDEREN SEITE:
OTTO BRENNER
Beitz hat inzwischen Verbündete in jenem Lager gefunden, das er stets sehr pfleglich behandelte: bei den Arbeitnehmern, und dort sogar einen Freund – Otto Brenner (1907–1972), den Vorsitzenden der IG Metall. Brenner und Beitz kennen sich ursprünglich aus dem Aufsichtsrat des Bochumer Vereins, wo sie sich nach den Erinnerungen des Gewerkschafters und Kruppianers Heinz Sohn gleich sympathisch waren: »Es sprang sofort ein Funke von Beitz zu Brenner über und umgekehrt. Das war mehr persönlich als sachbezogen.« Brenner hat Beitz schon während der Kreditkrise 1966 zur Seite gestanden, als die Gewerkschafter ein »informelles Netzwerk« genutzt haben, um innerhalb der SPD Hilfe für Krupp zu mobilisieren. Dazu gehören seinerzeit, im Kontakt mit Brenner, Walter Hesselbach als Chef der Bank für Gemeinwirtschaft und SPD -Schatzmeister Alfred Nau. Hesselbach hat schon Anfang 1967 die »Jagd auf Beitz« beklagt. Ihre Beziehungen zu Schiller und vor allem zu der sozialdemokratischen Landesregierung unter Heinz Kühn haben nicht unwesentlich zu dem Rettungswerk beigetragen.
Brenner bleibt anschließend – was Beitz sehr für ihn einnimmt – gleichwohl überzeugt, dass Bund und Banken im Umgang mit Krupp überreagiert haben. Schon das Wort »Krise« lehnt er ab, ebenso Schuldzuweisungen an Alfried Krupp und Berthold Beitz. Für ihn ist die »Krupp-Krise« ein lösbares Problem, bedingt durch die Besonderheit des Ostgeschäfts. Da hier die Zahlungen sehr langfristig erfolgen, müsse der Staat dies eben durch Garantien überbrücken. »Wenn die Kreditgarantie in der Bundesrepublik genauso gehandhabt würde wie in manchen Nachbarländern«, so Brenner in einem Interview von 1967, »dann hätte es in Essen bestimmt keine Liquiditätsprobleme gegeben.«
Beitz und Brenner verbindet jenseits dieser Überzeugung vieles: Beitz verabscheute die Nazis und wurde in Polen zum Retter vieler Verfolgter. Brenner stammt aus dem Arbeiterwiderstand gegen Hitler, in Hannover hat er für die linke Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands ( SAPD ) im Untergrund gearbeitet und deshalb von 1933 bis 1935 im Gefängnis gesessen. »Wir verstanden uns beide sehr gut«, erzählt Beitz in einem Interview mit Brenners Biographen Jens Becker und Harald Jentsch, »jeder wusste vom anderen, was er 1933 bis 1945 getan hat. Das hat den gegenseitigen Zugang sicher erleichtert. Ich mochte ihn sehr gern.« Er sieht in dem
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