Berthold Beitz (German Edition)
juristisch wegen der Tagesordnung nicht möglich, aber auch nicht mehr nötig. Es geht nur noch um das Wie, nicht mehr um das Ob. Es geht für Abs nur noch um einen würdevollen Abgang, nicht mehr darum, den Vorsitz zu behalten. Abs erklärt auf der Sitzung, beim nächsten Treffen einen Punkt »den Aufsichtsrat betreffende Fragen« zu behandeln. Damit, so Beitz, »war allen klar, daß er den Vorsitz im Aufsichtsrat meinte, auch wenn er dies nicht ausdrücklich gesagt hatte«. Tatsächlich verlässt Abs den Aufsichtsrat im Juni 1970, sein Nachfolger wird – Berthold Beitz. Er hat den Konzern, wie er es sieht, zunächst personell »aus den Klauen der Banken befreit«.
Zwei Jahre später geht auch die Ära Vogelsang zu Ende. Dessen Ruf als Sanierer ist zwar bestens, aber dennoch gibt es nun immer wieder Konflikte mit Beitz. Es sind keine, die zum Bruch führen müssen, aber es werden immer mehr. Hämisch schreibt der Spiegel 1970 über die Rivalen: »Beitz hielt die schulterwattierten Anzüge des Vorstandsbosses für gewöhnlich; Vogelsang empfand die taillierte Garderobe des Stiftungs-Chefs als feminin. Beitz spöttelte über die Vertreter-Witze von Vogelsang, dieser wiederum sah in Beitzens Witz nur Bosheit.« Die beiden Männer respektieren sich freilich weit mehr, als es hier den Anschein hat. Und es geht ihnen um viel mehr als um Äußerlichkeiten.
Auch Krupp-Arbeiter beteiligen sich an den wilden Streiks Ende der sechziger Jahre, bei denen es vor allem um den Erhalt der Montanmitbestimmung geht, also die erweiterten Mitspracherechte der Arbeitnehmer bei Kohle und Stahl. Im September 1970 lehnt es Vogelsang ab, auf einer Belegschaftsversammlung der Bochumer Hütte mit dem Betriebsrat und Otto Brenner zu diskutieren. Er kommt erst gar nicht. Die Kruppianer johlen, als schließlich eine entsprechende schriftliche Erklärung Vogelsangs in den Saal gereicht wird. Ausgerechnet Brenner muss das Papier des Vorstandsvorsitzenden vorlesen und sich rüde Zwischenrufe von wütenden Arbeitern anhören. Was er Beitz über den Vorfall berichtet haben wird, ist nicht schwer zu ergründen. Derlei Erregung unter Gewerkschaftern mag einen selbstsicheren Sanierer wie Vogelsang kühl lassen. Beitz aber sorgt sich um das Verhältnis zu den Arbeitnehmern. Gegenüber Dresdner-Bank-Chef Krüger beklagt er kurz darauf, der Vorstand behandle die Umstrukturierungsfragen auf eine Weise, dass das Resultat »eine Verschlechterung des Verhältnisses zur Belegschaft und zu den Gewerkschaften« sei.
Darüber hinaus kritisiert Beitz den Führungsstil im Konzern, sprich Vogelsangs Stil. Keine zwei Jahre nach dessen Antritt haben zehn Direktoren und Geschäftsführer von sich aus das Handtuch geworfen. Andererseits, was soll der neue Mann tun, wenn er nicht ausmisten darf? Beitz stört sich dennoch an der rauen, wenig gewinnenden Art Vogelsangs. Nachdem er den Thron an der Konzernspitze zurückerobert hat, zögert Beitz als Aufsichtsratschef nicht, seine Vorstände direkt anzugehen. Bei einem Mittagessen im Herbst 1971 antwortet er auf den Vorwurf, er nehme »die Stellung eines Chefs des Vorstands« für sich in Anspruch. Das folgende Donnerwetter ist allerdings kaum geeignet, den Vorwurf zu entkräften. »Ich habe immer betont«, sagt Beitz, »mir liegt nichts daran, in die laufenden Geschäfte einzugreifen oder Weisungen zu erteilen, wie dies Herr Vogelsang in Konzernunternehmen, deren Aufsichtsräten er vorsitzt, praktiziert. Ich lege jedoch Wert auf die Berücksichtigung und Achtung der Rechte der Alleineigentümerin« – eben der Krupp-Stiftung. »Ich bin nicht bereit zuzusehen, wie die Stiftung, das Vermächtnis des früheren Alleininhabers Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, durch Mißachtung ihrer Rechte und Ansprüche, auch finanzieller Art, lächerlich gemacht wird.« Hier wird nun ein weiterer Konfliktherd deutlich: Wie viel Dividende darf die Stiftung verlangen, nach den vergleichsweise geringfügigen zwei Millionen D-Mark pro Jahr aus der Krisenzeit? Die Höhe der Ausschüttung steigt zwar, bleibt aber dennoch ein Streitpunkt zwischen den Chefs des Vorstands und des Aufsichtsrats. Vogelsang hat über einen »Bindungsvertrag« dafür gesorgt, dass die Dividende für die gemeinnützige Stiftung streng abhängig von der Kapitallage des Konzerns ist.
Auch über die Unternehmenspolitik an sich herrscht zunehmend Dissens, so über die Frage von Investitionen in die Nukleartechnologie, die Anfang der siebziger Jahre einen kometenhaften
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