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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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nachgedacht: »Er weiß, wozu die menschliche Seele fähig ist, er hat es gesehen. Deshalb hält er sich in Gedanken immer einen Schritt zurück. Er will nie in eine Situation kommen, in der er nicht mehr selbst bestimmen kann, was geschieht.«
    Es scheint, als habe Beitz genug Vertrauen zu dem Mann gefasst, der so anders ist als er selbst. Der Ritterschlag liegt bereits einige Jahre zurück. Es war bei einem Abendessen in der Villa Hügel, 1998, nach der geglückten Einigung mit Thyssen. Beitz hatte die Anteilseigner eingeladen, den Vorstand, den Aufsichtsrat. Sie alle saßen um einen großen Tisch herum. Beitz hielt eine kurze Ansprache, er dankte allen für ihren Einsatz und das Ergebnis. Dann legte er Gerhard Cromme die Hand auf die Schulter und sagte: »Ohne Herrn Cromme gäbe es Krupp nicht mehr!«
    DAS VERMÄCHTNIS
    Jeden Morgen fährt ein dunkler Mercedes mit dem Kennzeichen E - RZ vor Berthold Beitz’ gut bewachtem Haus in Essen vor. Das Tor öffnet sich, die Limousine gleitet in den Hof. Berthold Beitz tritt aus der Tür, wie immer tadellos gekleidet. Der Fahrer öffnet den Wagenschlag, und dann geht es hinüber zum Hügel, meist plaudernd über dies und das.
    Weit ist es ja nicht zum Hügelpark, sie fahren nach einer Weile hinunter Richtung Ruhrtal, vorbei am Baldeneysee bis zur Schranke und dem Pförtnerhäuschen unten am Hügelpark. Steil führt die Straße hoch in die Parklandschaft. Manchmal, am Morgen, stehen Rehe auf den Wiesen. Das Gästehaus liegt in diskretem Abstand zur Villa Hügel, vom Fenster seines Arbeitszimmers schaut Berthold Beitz direkt hinüber auf das gewaltige Haus, das den Namen Krupp wohl noch mehr verkörpert als die berühmten drei Ringe des Firmenlogos.
    Indessen ist auch das Gebäude der Stiftung, errichtet ab 1914, ein respektgebietender Ort. Die Wirtschaftswoche bringt das 2009 auf einen sehr schönen Nenner: »Der Hügel in Essen, der Sitz der Stiftung und ihres Chefs Beitz, ist mitsamt seinen schallschluckenden Gobelins eine Tabuzone für lautes Lachen, monologisierende Einzelauftritte und andere Egotrips des Managements.« Man mag das korrigieren, was das laute Lachen betrifft, denn noch mit 97 Jahren ist Beitz ein humorvoller Gesprächspartner. Aber in der Tat atmet dieses Gebäude Geschichte und Würde, ja Autorität. Die schweren Sessel, die Ölgemälde mit Porträts der Familie Krupp, die hohen Bücherwände, die Bronzeplastik Alfrieds gleich vorn in der Halle, neben dem roten Treppenläufer, der hoch in den ersten Stock und zu Beitz’ Zimmer führt.
    Dieser ist heute besorgt über den Zustand nicht allein des eigenen Konzerns, zu dem er immer noch »die Firma« sagt, sondern auch über den der gesamten deutschen Wirtschaft. Die Finanzkrise mit all ihren Auswirkungen ist ein bitterer Schlag für ihn und die Stiftung. Eben noch hat er geglaubt, zufrieden auf sein wirtschaftliches Lebenswerk blicken zu können: stolze Bilanzen, ein solide aufgestelltes Unternehmen, eine starke corporate identity. Und nun: Milliardenverluste, ungewisse Aussichten.
    Und wie stets ist der alte Herr um starke Meinungen und einprägsame Bilder nicht verlegen. Er zeigt durch das Fenster seines Wohnzimmers hinaus auf den Baldeneysee, über den friedlich ein Ausflugsboot tuckert: »Die Finanzkrise ist wie ein See, dessen Wasserspiegel absinkt. Dann sieht man die Untiefen unter der schönen, glatten Oberfläche.« Die Untiefen des Finanz- und Wirtschaftssystems, der Marktwirtschaft eben.
    Es war, vor dem großen Banken-Crash im September 2008, eine Welt, deren Manager versicherten, es sei nur im Interesse aller, wenn sie Arbeitsplätze aus Deutschland in die nördliche Mongolei verlegen. In der deutsche Landesbanken gleich spielwütigen Zockern am Roulettetisch mit Milliarden jonglierten und verloren. In der seelenlose Hedgefonds als Anlage gepriesen wurden und verwirrte Belegschaften gesunder Familienunternehmen erlebten, dass anonyme Finanzinvestoren, ob man sie nun Heuschrecken nennt oder nicht, den Laden kaufen und einfach dichtmachen. In dieser Welt wirkt der Patriarch vom Hügel bereits zu Lebzeiten wie ein Monument der ökonomischen Vernunft. Beitz will nicht die radikale Marktwirtschaft, deren Propheten noch bis in die Anfänge der globalen Krise hinein mit ihren einfachen Botschaften den Ton angaben: Der Markt wird es schon richten, zu viel Sozialstaat schadet nur, die Konsens-Gesellschaft erstickt die ökonomische Freiheit, die Gewerkschaften sind längst zu mächtig und eine Bremse im

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