Berthold Beitz (German Edition)
internationalen Wettbewerb.
Beitz, der Unternehmenslenker, der von den Wirtschaftsliberalen gern abschätzig zitierten »Sozialromantik« gewiss unverdächtig, sieht das anders. Sein Blick hat stets weiter gereicht als bis zum nächsten Pendeln der Börsenkurse. In gewisser Weise dient ihm sein Verhältnis zu Otto Brenner als Vorbild. Beitz hat niemals vergessen, wie Brenner die Macht der Banken offen herausgefordert hat: »Das hat er getan – weil Otto Brenner die Interessen der Firma vertreten hat.« Ein zu verbreiteter Typus des modernen Managers habe ein arrogantes Verhältnis gegenüber der Belegschaft. »Die Arbeitnehmer sind keine Sklaven, und die Firma ist nicht der Pharao, der den Knechten sagt: Jetzt baut ihr gefälligst die Pyramiden auf.«
Aus seiner Sicht sind viele Vorstände schlicht zu abgehoben: »Der Vorstand glaubt ja immer, er sei der Eigentümer der Firma. Aber nein. Er besteht aus sehr hoch bezahlten Angestellten. Sie verwalten Geld, das ihnen andere Leute anvertraut haben.«
Was hält die Gesellschaft noch zusammen? Diese Frage stellen heute, nach dem Ende der Ideologien und in der globalen Krise, nicht mehr nur Soziologen und evangelische Akademieseminare; sie ist zu einer Grundsatzfrage in einer Welt geworden, die sich rasch wandelt, zu rasch für viele. Die Vorzüge dieses Wandels sind unübersehbar: offene Grenzen, gemeinsame supranationale Institutionen, zumindest in Westeuropa der Sturz des Nationalismus in die Belanglosigkeit. Gleichzeitig aber, denkt Beitz, kann es nicht gut gehen, wenn Belegschaften nur noch das Gefühl haben, ersetzbare Nummern und Ziffern in den Kurstabellen zu sein.
Dass im Wirtschaftsleben etwas aus der Bahn geraten ist, der Common Sense verletzt wird, beklagen heute auch Konservative wie Wolfgang Schäuble ( CDU ), der 2009 – noch als Bundesinnenminister – in einer nachdenklichen Rede sagte: »Am Ende kommt es darauf an, dass wir uns ein Gefühl der Zugehörigkeit bewahren. … Teile der Eliten haben soziale Verantwortung ersetzt durch einen Freiheitsbegriff, der nur noch sie selbst begünstigt. Man kann das auch Maßlosigkeit und Gier nennen. Damit einher geht ein Vertrauensverlust nicht nur in Personen, sondern auch in die Ordnung, die von diesen Teilen der Eliten maßgeblich mitgestaltet wird.«
Auch Beitz hat als Unternehmensführer harte Konflikte geführt, auch gegenüber den Beschäftigten: in der Kohlekrise 1966, bei der Schließung Rheinhausens, beim Kampf um die Besetzung von Spitzenposten. Mit der feindlichen Übernahme von Hoesch haben er und Cromme sogar ein deutsches Grundgefühl, eine behagliche Scheingewissheit, so etwas gäbe es nur drüben in den USA , für immer erschüttert. Aber er hatte an sich den Anspruch, mit offenem Visier zu fechten und im Sinne einer Verantwortlichkeit für das Ganze, und er tat es, wenn er es im Interesse des Ganzen für geboten hielt. Doch er hat nicht vergessen, dass er selbst von sehr weit unten kam. Die Fähigkeit zum Konsens innerhalb des Betriebs ist für ihn kein Ballast aus Adenauer-Zeiten, sondern eine Frage des gesunden Menschenverstands; die Fähigkeit nicht zum Konsens um jeden Preis, sondern zum Versuch, im Guten etwas zu erreichen.
Es gibt einen Ausdruck im Grundgesetz, der die Beitz’sche Philosophie des Wirtschaftens auf den Punkt bringt. »Eigentum verpflichtet«, heißt es in Art. 14, Abs. 2. »Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.«
Die Finanzkrise, ausgelöst durch die verantwortungslosen Kreditpraktiken auf dem US -Immobilienmarkt, wurde ursprünglich verursacht durch die Banken und deren Spekulationen. Sie bestätigten alles, was Beitz seit Jahrzehnten über sie gedacht hat: »Sie hatten nur noch das Geld im Sinn, sonst gar nichts mehr – dieses Verhalten ist eine Katastrophe.« Zum System der Boni, der Millionengehälter der Vorstände, der aufgeblähten Abfindungen sagt Beitz: »Ich halte es für sozial und moralisch verwerflich, wenn die Herren an der Spitze groß kassieren. Und bei den einfachen Leuten kommt der Mann nach Hause und sagt: Was soll ich bloß machen? Ich werde arbeitslos. Diese Menschen sind nicht als Barone geboren oder als Fabrikbesitzer.« Das Ergebnis könne nur eine Systemkrise sein: »Dieser Kontrast erzeugt doch automatisch Neid und Missgunst. Die Menschen bekommen sonst das Gefühl: Ich bin bloß zweite Klasse, ich werde von oben herab behandelt, ich kann nicht aufsteigen, auch wenn ich mich noch so bemühe.« Er verkörpert noch,
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