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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Todesmärsche 1945. Wilmowsky überschaut altersweise das Wohl und Wehe des ganzen Konzerns. Die Erbquerelen besorgen ihn, und er versteht, was Alfried Krupp an Beitz hat. Er mag den jungen Mann und gibt ihm manchen Rat. Dann wieder empfiehlt er ihm einen Frankfurter Herrenschneider – »er galt schon in der kaiserlichen Zeit als einer der besten in Deutschland, Frau Krupp ließ für sich und ihre beiden Töchter von ihm arbeiten«. Und er warnt Beitz, die Kräfte nicht zu überspannen. Einmal schreibt er an Else Beitz und zitiert einen Brief, den Alfred Krupp 1871 an die Prokuristen der Firma gerichtet hat: »›Mein Verlangen ist, daß die Herren Chefs an eigener Arbeit weniger haben sollen, daß sie aber eine Menge starker Kräfte heranziehen und diese die Arbeit tun lassen, selbst aber vorzugsweise auf Übung der Wachsamkeit sich beschränken, damit sie alle ein hohes Greisenalter erreichen.‹« Und von Wilmowsky kommentiert: »Wäre das nicht auch heute eine sehr gute Mahnung an den verehrten Herrn Gatten?«
    Wilmowsky ist es auch, der Beitz früh vor den Ansprüchen von Alfrieds Geschwistern warnt und den Geist des Gründervaters Alfred Krupp beschwört. »Für Alfred Krupp«, schreibt er im August 1956, »stand die Einheitlichkeit der Leitung allen anderen Rücksichten voran – also das Ziel, das Ihnen und mir vorschwebt. Er hat mehrfach ausdrücklich betont, daß das Wohl der anderen Familienmitglieder dahinter zurückzutreten habe.«
    Es gibt noch jemanden, der Beitz erheblich größere Sorgen bereitet als die Geschwister: Vera Hossenfeldt, Alfrieds zweite Frau.
    Nach seiner Haftentlassung ist Alfried Krupp zunächst einmal abgetaucht. Er geht auf Reisen und frönt seinem alten Hobby, der Fotografie. Der Einsame, im Verhältnis zu Frauen zeitlebens weder mit Geschick noch Glück gesegnet, trifft schließlich eine selbstbewusste, extrovertierte Frau, für die es ein Leichtes ist, ihn zu erobern. Die blonde Deutsch-Amerikanerin, Anfang vierzig, hat bereits drei Ehen hinter sich, was in den frühen fünfziger Jahren als skandalös gilt. Sie ist eine alte Bekannte Alfrieds aus Studienzeiten und hat ihm viele Briefe ins Gefängnis geschrieben. Im Rückblick meint Beitz: »Sie saß wie die Katze vorm Mauseloch, und als Alfried rauskam, da hat sie ihn sich geschnappt.«
    Alfried Krupp heiratet Vera 1952 in Berchtesgaden und reist mit ihr anschließend durch halb Europa, unstete Flitterwochen, die zu Monaten werden. Essen mit seinen Schloten ist ihr aber bald langweilig. Wenigstens muss sie nicht in die Villa Hügel ziehen, den düsteren Palast von Alfrieds unglücklicher Kindheit. Am Rande des Hügelparks lässt sich ihr Mann ein modernes, helles Haus bauen, ein Schmuckstück der Fünfziger-Jahre-Architektur, der lichte Gegenentwurf zum Familiensitz der frühen Jahre. Aber es wird kein Ort des Glücks.
    Anfang 1954 kann sich Berthold Beitz, freundlich gesagt, des Verdachts nicht erwehren, dass es Vera weniger auf Alfried als vielmehr auf dessen Vermögen abgesehen hat. Als Beitz wieder einmal bei einem Abendessen im »Essener Hof« ausspannt, an seinem Stammplatz in der Ecke, kommen fünf Amerikaner herein und sind bald in ein für seine Ohren gewiss nicht bestimmtes Gespräch vertieft. Nur wissen sie nicht, wer da ein paar Tische weiter sitzt und gut Englisch versteht. Es sind Bekannte von Alfrieds Frau Vera, und sie entwerfen laut Beitz folgenden Plan: Der gesamte Export der Firma Krupp soll über die USA geleitet und abgewickelt werden, und Präsidentin der dafür zu schaffenden Körperschaft mit Sitz jenseits des Atlantiks werde Vera selbst. »Die haben gedacht: Bei nächster Gelegenheit kassieren wir das alles«, erinnert sich Beitz. »Sie wäre Präsidentin gewesen, und ihr Mann hätte nicht einmal zu ihr einreisen dürfen.« Aufgrund seiner Verurteilung in Nürnberg erhält Alfried Krupp nämlich kein Visum für die Vereinigten Staaten.
    Anderntags, in der Frühe, ruft Beitz in Alfried Krupps Büro an. Eine Tür weiter konferiert der Konzernchef bereits mit den Amerikanern. Beitz sagt: »Herr von Bohlen, kann ich gerade zu Ihnen hinüberkommen? Es gibt etwas zu besprechen. Ich würde auch gern die Herren vom Direktorium dabeihaben.« Krupp erwidert: »Nun, ich habe hier gerade Besuch, Freunde aus Amerika.« Aber eben um die geht es Beitz ja. Die »Freunde« sind gerade dabei, Alfried Krupp ihre Pläne vorzulegen, freilich ohne zu erwähnen, wie leicht sie ihn ausbooten könnten. Alle Blicke richten sich

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