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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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auf Beitz, der schließlich das Wort ergreift: »Ich war gestern im Essener Hof und habe alles gehört, was Sie gesagt haben. Ich rate Herrn von Bohlen dringend ab, auf diese Vorschläge einzugehen.« Zu Krupp selbst sagt er kurz nach der geplatzten Sitzung: »Wenn Sie das tun, dann gehe ich wieder.« Am Ende aber hört Alfried Krupp auf seinen Rat, und Veras Exportgesellschaft bleibt ein Luftschloss. Es ist keine Freundschaft, die da zwischen Vera und dem Generalbevollmächtigten ihres Mannes entsteht.
    1956 verlässt Vera ihren Mann. Die Ehe wird geschieden, die Treulose abgefunden, wenn auch nicht mit den Reichtümern, die sie sich vorgestellt hat. Nicht alle haben das negative Bild geteilt, das Berthold Beitz von ihr gewann. Liselotte Schoop, die Frau seines Protokollchefs, hat Vera oft gesehen und einen ganz anderen Eindruck gewonnen: »Sie war eigentlich eine Klassefrau. Aber sie wollte fröhlich sein, leben und ausgehen. Und Alfried war eben vor allem für die Firma da.«
    Alfried Krupp begräbt Vera tief in seinem Herzen. Die Einsamkeit, der er kurz entronnen war, umschließt ihn erneut wie eine dunkle, undurchdringliche Wolke. Und umso wichtiger wird für ihn Berthold Beitz.
    »IHR ZERBERUSSE, WAHRT NUR EUER REICH«:
KAMPF UM KRUPP
    Es ist lange her, seit dieses Haus ein fröhliches Fest gesehen hat. Dunkel und drohend steht es da, als hause in seinen zahllosen Räumen noch ein böser Geist, der Tragödie und Niedergang des Hauses Krupp verschuldet hat. An diesem Novemberabend des Jahres 1955 aber ist die Villa Hügel hell erleuchtet, klirren die Champagnergläser, und heitere Stimmen erfüllen die Säle. Vor dem Hauptportal fahren im Licht der fünfarmigen Kandelaber Limousinen vor, als sei die alte Zeit auferstanden, als Kaiser Wilhelm und seine Entourage zu Gast waren. Schließlich öffnet sich eine Seitentür der Bibliothek, und Alfried Krupp tritt ein, hager, hochgewachsen, asketisch, neben ihm seine Frau Vera, ganz die schicke First Lady des Reiches aus Stahl. Die Fluchtgedanken, die sie bereitshegt, sieht man ihr nicht an, als sie charmant lächelnd durch die Reihen schreitet. Nüchtern und knapp begrüßt Alfried Krupp, der sonst Empfänge meidet, die Gesellschaft aus aller Herren Länder: Fast hundert Mitglieder des diplomatischen Korps sind aus der Bundeshauptstadt Bonn auf den Hügel gekommen, sehr viele von ihnen aus Staaten, die es zehn Jahre vorher noch gar nicht gab.
    Auch die Firma Krupp präsentiert sich als Produkt einer neuen Zeit. Anderntags werden die Gäste durch das weitläufige Imperium an der Ruhr geführt, betrachten die Glut der Hochöfen in Rheinhausen, die Walzstraßen und die vielen Dinge, die der Konzern herstellt, darunter sogar Gebisse aus Spezialstahl und falsche Zähne. Nur eines sehen sie nicht: Waffen. Krupp produziert keine mehr. Als die Diplomaten wieder zurück in die kleine Stadt am Rhein fahren, nehmen sie außer Flachmännern aus Kruppstahl noch eine Botschaft mit: Das Reich der Kanonenkönige existiert nicht mehr, und hat es dieser neue, weltoffene Konzern deshalb verdient, von den Siegermächten immer noch wie ein Ausgestoßener behandelt zu werden? Nach wie vor wollen die Alliierten den gewaltigen Industriebesitz von Krupp zerschlagen. Alfried Krupp aber setzt auf das Motto seines Vaters Gustav, der 1912 auf dem Hügel ein – später abgesagtes – Ritterspiel für den Kaiser geben wollte, um bei der Generalprobe selbst blechern unter seinem Topfhelm hervorzurufen: »Ihr Zerberusse, wahrt nur euer Reich!« Damals war Alfried ein Kind, das als Knappe verkleidet auf einem Pony auf die Bühne reiten sollte. Nun ist er, was er nach dem Willen des Vaters zu werden hatte: Herr des Hauses Krupp, und er ist entschlossen, sein Reich zu wahren.
    Krupp produziert 1953 wieder – Brücken und Kräne, Lastwagen und Lokomotiven, Schiffe und Turbinen, ganze Industrieanlagen und Dentistenwerkzeug, Feinmechanik und Großbagger. Und das ist noch nicht alles. Der Konzern tut, was Alfried Krupp gefordert hat: »Alle Arbeiten und Aufträge hereinholen, wie sie sich uns bieten.«
    Das ist die Haben-Seite, immerhin. Doch beim Soll sieht es finster aus, und das hat, einmal mehr, mit dem versunkenen Reich der Kanonenkönige zu tun. Die alliierten Auflagen haben Krupp das Herzstück genommen oder vielmehr nehmen wollen: die Zechenbetriebe, die Stahlhütten. Krupp ist ein Stahlkonzern, der keinen Stahl erzeugen darf. Dieser massiven Beschränkung hat Alfried Krupp, nur dank McCloys

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