Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
Vom Netzwerk:
freilich, die Anlagen zu betreten, die ihm nicht mehr gehören sollen. Das Geld, das diese Werke einbringen, gehört ihm zwar, aber ihr Herr ist er dennoch nicht, sondern es sind die Treuhänder, welche die Alliierten eingesetzt haben. Zum Symbol der Krupp’schen Teilung zwischen geduldeten und nicht geduldeten Betrieben wird ein hoher Drahtzaun, der sich auf Geheiß der Alliierten mitten durch die weitläufige Industrielandschaft der Krupp’schen Besitzungen in Duisburg-Rheinhausen zieht: auf der einen Seite die – zu verkaufende – riesige Stahlhütte, auf der anderen die Stahlbaufabrik, die ebendiesen Stahl zu Produkten formt, mit denen Krupp die Weltmärkte erobert. 45 000 Menschen arbeiten bei den Handelsgesellschaften, dem Lastwagenbau, der Kohlechemie, dem Lokomotivwerk, den Werften, der Entwicklungsabteilung und vielen anderen Fabriken, die Krupp behalten darf. Aber fast genauso viele, nämlich 43 000 Menschen, sind in den Zechen und Stahlwerken, in der Produktion des Rohstoffs beschäftigt; diese Werke sollen den Besitzer wechseln.
    Alfried Krupp holt Beitz auch gerade deswegen nach Essen, damit dieser, unbelastet von den Verhandlungen mit den Alliierten, für ihn den Kampf gegen die Auflagen führt. »Man hat uns«, sagt er 1953 laut Spiegel , »von Kohle und Stahl getrennt, daran kann sich von uns und überhaupt im Ruhrrevier kaum jemand eine richtige Vorstellung machen. Weil ich aber nicht weiß, wie lange dieser Zustand noch andauern wird, brauche ich einen Mann, der von Geburt frei von diesen Dingen ist.«
    Berthold Beitz, der keine Rücksichten nehmen muss, kann Klartext sprechen, was ihm ohnehin das Liebste ist. Dem britischen Journalisten Gordon B. Young sagt er 1958: »Ich will ganz offen sprechen, die Vereinbarung war doch von Beginn an unhaltbar, sie war weder vernünftig noch praktikabel. Krupp ohne Stahlproduktion ist wie eine Frau ohne Unterleib.« Wenn er mit Journalisten an seinem Stammplatz im Essener Hof sitzt, erklärt er: »Wenn Alfried Krupp es nicht sagt, weil er zu seiner Unterschrift steht, dann sage ich es. Die Verkaufsauflagen müssen fallen, denn die Krupp-Betriebe gehören genauso zusammen wie ein Bauernhof, auf dem es gute und schlechte Felder gibt.«
    Beitz setzt darauf, dass das Interesse der Alliierten mit der Zeit erlahmen wird. Schließlich hat sich weltpolitisch seit dem Koreakrieg von 1950 bis 1952 ein atemberaubender Wandel vollzogen. Vor allem die USA sehen in der Bundesrepublik nun einen wünschenswerten Verbündeten, auf dessen ökonomisches und militärisches Potenzial sie nicht verzichten möchten. »Die Besiegten wurden interessant für die Sieger. Für die Westdeutschen war es eine kopernikanische Wende«, schrieb der Publizist Peter Bender, »so wurde der Kalte Krieg zur moralischen Erlösung. Wenn nun deutsche Staaten als Bundesgenossen gesucht wurden, mußten die Deutschen doch die respektablen Leute sein, für die sie sich immer gehalten hatten.«
    Die Regierung ist in einer durchaus heiklen Lage. Aus wirtschaftlichen Gründen muss sie gegen die Zerschlagung des Krupp-Besitzes sein, aus außenpolitischen Gründen aber dafür. Anfang 1956 reist Alfried Krupp nach Bonn, ins Palais Schaumburg, um den Bundeskanzler für seine Pläne zu gewinnen. Konrad Adenauer schätzt den Chef des größten deutschen Industrieunternehmens, dessen Aufstieg aus den Trümmern das Wirtschaftswunder beispielhaft verkörpert. Zu Weihnachten schickt er ihm einmal eine wertvolle Dose der Berliner Porzellanmanufaktur, als »Erinnerungsgabe an die gemeinsame Arbeit« für das Land.
    Wesentlich geringer fällt die Freude des Kanzlers über den omnipräsenten Schatten des Konzernchefs aus, Berthold Beitz. Schon bei der Begegnung 1956 ist die forsche Art des Jüngeren wenig geeignet, um Adenauers Herz zu wärmen. Im Arbeitszimmer des Kanzlers, einem weitläufigen Salon mit großen Flügelfenstern, legt Alfried Krupp ihm nun seine Sorgen über die Verkaufsauflage dar. »Mörser Beitz nahm den Kanzler dagegen direkt unter Beschuss«, schreibt der Spiegel . »Sind die Krupps denn Menschen zweiter Klasse?«, fragt Beitz provokant – immerhin garantiere das Grundgesetz die Freiheit der beruflichen Betätigung, was mit der Verkaufsauflage schwerlich zu vereinbaren sei. Er geht so weit, mit einer Verfassungsklage zu drohen.
    Zur Klage in Karlsruhe kommt es freilich nicht. Als die vertraglich festgelegte Verkaufsfrist von fünf Jahren abläuft, 1958, beantragt die Firma Krupp beim

Weitere Kostenlose Bücher