Berthold Beitz (German Edition)
freilich nicht. Dafür sorgt der Vertraute seines Bruders, der seine Kontakte nutzt.
»Alfried«, so erinnert sich Berthold Beitz, »saß totenblass da und sagte: ›Herr Beitz, was machen wir denn bloß?‹« Beitz antwortet, wie so oft: »Lassen Sie mal, ich kümmere mich darum.« Er redet mit Harald selbst, mit dem Generalstaatsanwalt, und da nichts dafür spricht, dass der Krupp-Bruder als Täter in Frage kommt, konzentriert sich die Kriminalpolizei nur noch in einem Maße auf ihn, das es erlaubt, ihn und mit ihm den Firmennamen aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Harald von Bohlen wird diskret an einem Sonntag vernommen, niemand sieht ihn kommen und gehen. Beitz interveniert guten Gewissens: »Der Harald war es nicht, davon war ich zutiefst überzeugt. Der arme Kerl hat sie nicht umgebracht, dafür war er viel zu harmlos. Vielleicht läuft der Mörder ja heute noch frei herum.« Der Täter wird nämlich nie gefasst.
Rosemarie Nitribitt wird in Düsseldorf beerdigt. Auf ihrem Grabstein steht: »Nichts Besseres darin ist denn fröhlich sein im Leben.«
So traurig die Episode anmutet, sie zeigt eines: Selbst wenn es um die Familie geht, ist Berthold Beitz der wichtigste Vertraute von Alfried Krupp.
Acht Kinder hatten Gustav und Bertha Krupp. Eines starb bald nach der Geburt. Der jüngste Sohn, Eckbert (geb. 1922), ist noch 1945 an der italienischen Front gefallen. Claus (geb. 1910), der Zweitälteste, ist schon 1940 mit seinem Messerschmitt-Jagdflugzeug abgestürzt. Weil sich Harald (geb. 1916) 1951 noch in russischer Gefangenschaft befindet, wird Alfried bei seiner Entlassung aus Landsberg nur von seinem Bruder Berthold (geb. 1913) draußen in der Kälte erwartet. Zwischen den beiden Brüdern gibt es einen Hauch von Nähe. So sitzt Berthold auf dem Beifahrersitz des silbernen Porsche, als Alfried erstmals nach Zuoz fährt, um seinen Sohn Arndt zu sehen. Außerdem hat Berthold während der Haftjahre des älteren Bruders diskret geholfen, den Konzern durchzubringen. Später wird er eine eigene Industriekarriere machen, jenseits der Firma Krupp.
Alfried hat zwei Schwestern, Irmgard (geb. 1912) und die jüngere Waldtraut (geb. 1920). Noch am Leben ist zu dem Zeitpunkt auch seine Mutter Bertha, die im September 1957 stirbt.
Finanziell sind die Dinge zwischen Alfried und der Familie eigentlich geregelt, aber eben nur: eigentlich. Durch den Mehlemer Vertrag zwischen Krupp und den Alliierten von 1953 hat Alfried unter der Auflage, den Konzern zu »entflechten«, sein Vermögen zurückerhalten. Der Vertrag hat ihn als Alleinerben zugleich verpflichtet, den vier noch lebenden Geschwistern sowie Arnold, dem Sohn des verstorbenen Bruders Claus, je fast elf Millionen Mark zu zahlen. Alfried bezahlt, und die Familie ist draußen. So sieht er es, so will er es, und doch liegt just hier der Keim für Konflikte, die erst nach Alfrieds Tod in aller Schärfe losbrechen werden.
Berthold Beitz bemüht sich um ein gutes Verhältnis zur Familie, und mit vielen, etwa mit Berthold und Arnold, gestaltet es sich freundlich. Ob hässliche Bemerkungen der Geschwister über Beitz und seine einfache Herkunft, wie sie gelegentlich kolportiert werden, gefallen sind oder nicht: Allein durch seine Position und das enge Vertrauensverhältnis zu Alfried Krupp muss Beitz automatisch in die Schusslinie geraten, sobald die Familie Konflikte mit dem ältesten Bruder und Firmenchef hat.
Das Abkommen von Mehlem hat zu viele Details offen gelassen. Vor allem die Frage, was geschieht, wenn Alfried einmal stirbt. Sein Sohn Arndt, fern im Schweizer Internat, ist noch zu jung für eine Nachfolge. Soll dann, wie Alfried Krupp eine Weile überlegt, Bruder Berthold bis zu Arndts dreißigstem Lebensjahr dessen Stellvertreter sein? Doch das traut er ihm nicht zu. Und wer müsste schließlich die ungeheure Erbschaftssteuer zahlen? Die ungeklärten Fragen führen jedenfalls dazu, dass Alfrieds Schwester Waldtraut und ihr damaliger Mann, Henry Thomas, schon in den fünfziger Jahren Rechtsstreitigkeiten gegen Alfried beginnen.
Außer zu Bertha Krupp hat Beitz nur zu Tilo von Wilmowsky, dem Ehemann von Berthas Schwester Barbara, ein engeres, ja herzliches Verhältnis. Der alte Freiherr, die gute Seele des Hauses, hat wie Beitz die Nazis verabscheut. Die ganze Macht des Hauses Krupp hatte ihn jedoch nicht vor der Gestapo retten können, die ihn 1944 wegen Verbindungen zum Widerstand verhaftete. Er überstand das Konzentrationslager Sachsenhausen und die
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