Berthold Beitz (German Edition)
auf beinahe schon bemitleidenswerte Weise. Was immer ihn in dieser Situation dazu gebracht haben mag, seine Frau zu Else Beitz in das Essener Privathaus des Generalbevollmächtigten zu schicken und ihr als Geschenk einen der Alexandriner Goldreifen zu überreichen: Einen schlechteren Einfall als diesen kaum verhohlenen Versuch der Bestechung hätte er nicht haben können. Noch am selben Abend berichtet Else Beitz ihrem Mann von der seltsamen Besucherin, und damit ist Herrmanns Zeit bei Krupp abgelaufen. Vogelsang ist anderntags dabei, als Beitz Herrmann in dessen Büro anruft. Herrmann weiß keine Antwort auf die Frage, mit welchem Geld das Gold bezahlt worden sei, und Beitz setzt nach: »Stimmt die Geschichte, die Herr Vogelsang herausgefunden hat, oder stimmt sie nicht?« Doch, sie stimme, druckst der Direktor herum. Beitz befiehlt dem Unglückseligen: »Packen Sie Ihre persönlichen Sachen zusammen und verlassen Sie sofort das Haus. Und betreten Sie es nie wieder.« Eine kleine Möglichkeit lässt er dem Verdatterten noch, wenigstens nach außen hin das Gesicht zu wahren: »Ich möchte jetzt ein Schreiben von Ihnen haben, dass Sie wegen eines drohenden Herzinfarkts in Pension gehen müssen. Sonst werfe ich Sie eigenhändig hier raus.«
Berthold Beitz selbst berichtet die Geschichte noch immer gern: »Es heißt ja immer, ich hätte ihm fünf Minuten gegeben, seinen Schreibtisch zu räumen und das Haus zu verlassen. Da sieht man, wie die Leute übertreiben. Ich gab ihm mindestens eine halbe Stunde.«
Es ist eine Demonstration der Macht. Beitz hat den mächtigen Krupp-Direktor fristlos entlassen, und wichtiger noch, er hat dies ohne Rücksprache mit dem Firmenchef getan. Alfried Krupp befindet sich gerade auf einer Asienreise und ist nicht erreichbar. Alle Hoffnungen der alten Riege, er werde seinen offenbar irrlichternden Generalbevollmächtigten nun endlich in die Schranken weisen, verfliegen nach Krupps Rückkehr rasch. Beitz erklärt dem Firmenchef, dass er Herrmann hinausgeworfen hat und warum. Alfried Krupp sieht Beitz lange an, führt mit einer charakteristischen Geste den Zeigefinger an die Unterlippe, zieht sie leicht zurück und sagt schließlich: »Ist richtig, Herr Beitz.« Kein Wort mehr. »Das hat gewirkt«, sagt Beitz im Rückblick.
FREMDE ODER FREUNDE? DIE FAMILIE VON BOHLEN
Sie ist 24 Jahre alt und sehr schön, sie fährt ein höchst elegantes Mercedes-Cabrio 190 SL , schwarz mit roten Ledersitzen. Sie besitzt einen weißen Pudel, ihr Schoßhündchen, und mindestens ebenso liegt ihr das Adressbuch am Herzen, das Namen und Telefonnummern nicht weniger Herren von mehr oder minder gehobenem Stande enthält. Rosemarie Nitribitt ist eine Prostituierte, eine Dirne, wie man in den fünfziger Jahren sagt. Sie ist vom Düsseldorfer Straßenstrich aufgestiegen zum Objekt der Begierde mancher Männer aus »besseren Kreisen«, auch dies ein Ausdruck jener Zeit. Im Herbst 1957 wird sie vermisst. Zwei Polizisten öffnen schließlich die Tür zu ihrem Apartment in der Frankfurter Innenstadt. Es ist der 1. November, Allerheiligen. Innen kläfft wie von Sinnen der Pudel – neben der Leiche Rosemarie Nitribitts. Sie ist erwürgt worden.
Harald von Bohlen und Halbach, 42 Jahre alt, hat offensichtlich enge Kontakte zu ihr gepflegt. In ihrer Wohnung findet sich ein Bild von Alfried Krupps jüngstem Bruder, außerdem Geschenke von ihm. Die Mordermittler brauchen nicht viel Spürsinn, um dem nicht mehr ganz jungen Mann aus der Ruhrdynastie unangenehme Fragen zu stellen.
Harald von Bohlen hat schwere Jahre hinter sich. Als Soldat geriet er 1944 in sowjetische Kriegsgefangenschaft und hatte Pech genug, dort erkannt zu werden. Einen Vertreter der bekannten Ruhrdynastie gaben die Russen so bald nicht frei. 1953, als Berthold Beitz seine Geschäfte in Essen aufnimmt, ist Harald von Bohlen noch immer zur Zwangsarbeit in einem russischen Erzbergwerk bei Swerdlowsk. Er kommt erst nach Konrad Adenauers Besuch in Moskau 1955 heim. »Und nun«, erinnert sich Berthold Beitz, »hatte der Junge im Leben einigen Nachholbedarf. Er hat auch bei der Nitribitt gewohnt.« Nun ist das die Ära Adenauer. Man hält auf Moral und Sitte oder das, was man dafür ausgibt; viele Prominente waren mit der Nitribitt bekannt, die Gebrüder Sachs etwa und der Rüstungsindustrielle Harald Quandt. Die lüsternen Enthüllungsstorys der Gazetten enthalten bald Details, welche die Leserschaft mit wohligem Schaudern aufnimmt. Der Name von Bohlen fällt
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