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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Geschichte erzählt. Sie handelt nicht von Aufstieg und Fall, sondern im Gegenteil von Fall und Aufstieg des Hauses Krupp.
    112 000 Menschen arbeiten inzwischen bei Krupp, eine schwindelerregende Größenordnung; im Chaos der Nachkriegsjahre waren es kaum mehr 12 000 gewesen. Mehr als 20 000 Zulieferunternehmen arbeiten mit dem Essener Koloss zusammen. Die Firma unterhält Dependancen in aller Welt. Und für seine Beschäftigten will Krupp Arbeitsstätte und Heimat zugleich sein, dies war und ist der soziale Anspruch der Unternehmerfamilie seit Gründertagen. Alfried Krupp sagt dazu in seiner Festtagsrede: »Zusammenarbeit ist kein Zustand, sondern ein Weg und ein Ziel mit geistigen Grundlagen auf dem Boden gegenseitiger Achtung und Anerkennung.«
    Theodor Heuss, der liberale Altbundespräsident, wiederum erteilt Krupp eine Art politischer Absolution, und dass er dabei gelegentlich ins Nuscheln gerät und die Gäste sich mehrfach flüsternd fragen, was er denn eben gesagt habe, mindert die Wucht seiner Worte keineswegs. Kurz vor dem Festakt habe er, Heuss, manchen bösen Brief erhalten. Ein Mann »deutscher Herkunft« habe etwa geschrieben, ob der Bundespräsident nichts davon wisse, dass er »ein Plädoyer für Kriegsverbrecher plane«. Vermutlich, so Heuss, »hat er sich über meine Antwort nicht gefreut«. Er halte es daher für seine »Pflicht, ganz freimütig ein paar Worte über das schwer erträgliche Pharisäertum zu sagen, das noch nicht ganz ausgelöscht ist«: Auch andere – Franzosen, Tschechen, Amerikaner – hätten Waffen hergestellt, doch nur im Hinblick auf Krupp tue man so, als sei die Firma als Rüstungskonzern »eine Dependance der teuflischen Hölle« gewesen. Die Frage, für welchen Zweck Krupps Waffen hergestellt wurden, vermeidet Heuss freilich. Krupp, so die Botschaft, ist im Lande wieder, was es immer war. »Der Name Krupp hat sich in einem Werk objektiviert, das aus den Kräften einer großen und einer tragischen Vergangenheit die Kräfte bezieht, die immer eine Zukunft suchen. Und wir spüren: finden wird.«
    Wir sind wieder wer, heißt es in der Ära Adenauer. Auch Krupp ist wieder wer. In seinem Buch Im Ruhrgebiet von 1958 schreibt Heinrich Böll: »Die Macht an der Ruhr ist nicht mehr in Namen fassbar: Krupp, Thyssen, Haniel. Macht entsteht heute durch Konzentration verzwickter, undurchsichtiger Verwaltungsgebilde; hinter unschuldig lächelnden Angestellten wird heute Macht versteckt. Macht, die sich auf die arbeitende Armee unter Tage und in den Hütten stützt. Kohle und Stahl sind Macht.« So schön diese Sätze formuliert sind, so falsch sind sie doch – zumindest, was Krupp betrifft. Klarer kann eine Hierarchie nicht sein: Der Regent heißt Alfried Krupp, und er regiert mit Hilfe von Berthold Beitz, der in der Tat sehr unschuldig lächeln kann.

Der Pionier: Beitz und das neue Gesicht des Konzerns
    »KINDER STATT KANONEN«:
ABSCHIED VON DER WAFFENPRODUKTION
    Er war 19 Jahre alt und fühlte sich unbesiegbar, ein Soldat in der stärksten Armee der Welt. Er zog mit den anderen Jungs nach Europa, um für eine gute Sache zu kämpfen, und sie alle waren Teil einer Elite, der Panzertruppe. Windsor S. Miller, geboren 1913 in Dayton, Ohio, sollte kaum ein halbes Jahr später Geschichte schreiben: Im März 1945, als amerikanische Soldaten die Rheinbrücke von Remagen stürmten und der Weg frei war ins Innere des Reiches, war Windsor Millers Sherman der erste und einzige Panzer, der in jener ersten Nacht auf die andere Seite hinüberrumpelte.
    Im Spätsommer 1944 aber, erhielt sein jungenhaftes Heldengefühl einen erheblichen Dämpfer. Der Ausbilder an der British Tank and Tech School in London führte die Rekruten hinaus zu einem bewachten Hof. Dort standen einige Panzer, darunter als Prunkstück ein Tiger , »ein Monster aus Stahl«, so Miller, der beste deutsche Panzer mit einem 8,8-Glattrohrgeschütz, dessen Durchschlagskraft kein US - Sherman gewachsen war. Der Tiger wies einige Dellen und Beulen auf. Der Ausbilder erklärte dazu: »Das passiert, wenn eure Kanone den Tiger trifft und ihr nicht ganz genau gezielt habt.« Er zeigte auf einen Sherman gleich daneben, in dem riesige Löcher klafften. Die Panzerung war an drei Stellen einfach durchschlagen. »Und das passiert, wenn der Tiger euch trifft – egal, wohin er zielt.«
    Es war eine Lektion, die Windsor S. Miller nicht vergessen sollte und die ihm das Leben rettete, als er im Dezember 1944 auf den verschneiten Straßen eines

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