Berthold Beitz (German Edition)
Bald, so der Wille von Alfried Krupp und Berthold Beitz, wird ohnehin alles Krupp gehören. Der Bochumer Verein befindet sich mehrheitlich in den Händen des schwedischen Unternehmers Axel Leonard Wenner-Gren, der nun wiederum seine Anteile über eine Bank an die Hütten- und Bergwerke Rheinhausen AG veräußert, also exakt an jenes Werk in Duisburg, das Krupp doch auf Druck der Alliierten verkaufen soll. Und deren Aufsichtsratsvorsitzender soll niemand anderes werden als Berthold Beitz, der Generalbevollmächtigte. Treffend schreibt der Journalist Frank Stenglein: »So entsteht eine paradoxe Situation: Die Holding Rheinhausen wird immer größer, wertvoller – und immer unverkäuflicher.«
Welch ein industriepolitischer Coup, denn laut Mehlemer Vertrag darf Krupp eigentlich gar kein Montanunternehmen dazukaufen. Die Edelstahlbasis von Krupp ist damit gesichert. Die Alliierten, längst mit wichtigeren Angelegenheiten beschäftigt, belassen es bei leisem Grollen. Aufsichtsratschef der Rheinhausener Hütte ist zuletzt, bis zu seinem Tod 1956, Friedrich Janssen gewesen, bis 1955 Beitz’ Kollege und Intimus als Generalbevollmächtigter. Janssen aber lässt in seiner Amtszeit 1955/56 die Geschäfte wegen der Verkaufsauflage ruhen, ganz im Gegensatz zu Beitz, dem schließlich sogar das Bundeswirtschaftsministerium den Rücken stärkt: Was Janssen, »der das besondere Vertrauen des Herrn Alfried Krupp von Bohlen und Halbach hatte«, gedurft habe, nämlich Rheinhausen kontrollieren, gelte ebenso für seinen Nachfolger Berthold Beitz. Und als die Hohe Behörde der Montanunion in Luxemburg den Zusammenschluss des Rheinhausener Werks und der Bochumer Hütte tatsächlich billigt, erscheinen die alten Auflagen mehr denn je wirklichkeitsfremd.
Vorstandschef der Hüttenwerke Rheinhausen wird auf Alfried Krupps Vorschlag schließlich Beitz’ Vertrauter Günter Vogelsang, ein Krupp-Mann auf dem Führungsposten eines Werks, das Krupp doch gar nicht mehr gehören soll.
Die von den Alliierten eingesetzten Treuhänder, die den Vollzug des Mehlemer Abkommens überwachen sollen, sind irritiert und beklagen sich, in Essen und in Bonn. Beitz brüskiert sie – an ihrer Spitze steht immerhin der frühere Reichskanzler von 1925/26, Hans Luther – bei einer Aussprache in jenem Ton, der vielen missfällt. »Meine Herren, Sie sagen immer, Sie tragen so schwer an Ihrer Verantwortung. Da gibt es doch ein sehr einfaches Mittel: Legen Sie Ihre Ämter nieder, dann löst sich doch alles in Wohlgefallen auf.«
Berthold Beitz wird am Ende als Sieger aus dem Ringen um Krupp hervorgehen. Es vergehen freilich noch Jahre, bis die Verkaufsauflage im Dezember 1968 endgültig fällt. Für Alfried Krupp dauert es zu lange, er stirbt ein Jahr vorher. Nüchtern bilanziert die Neue Zürcher Zeitung : »Die Affäre Krupp [gemeint ist der Kampf um die Verkaufsauflage; J. K.] ist und bleibt ein Beispiel dafür, wie sich in den zwischenstaatlichen Beziehungen Erinnerungen und Ressentiments zu behaupten vermögen, auch wenn der nüchterne Verstand und die wirtschaftliche und politische Vernunft längst andere Wege gehen würden.«
150 JAHRE KRUPP: JUBELFEIERN IN ESSEN
Da steht das Häuschen, als sei es nie im Bombenhagel zerstört worden, ein einstöckiger Fachwerkbau mit Klappläden und rotem Ziegeldach, das Stammhaus der Firma Krupp. Hier hat 150 Jahre zuvor der Aufstieg des Unternehmens begonnen, und Restauratoren haben es so wiederaufgebaut, wie es damals ausgesehen hat. Es entbehrt nicht einer gewissen Symbolik, dass das Stammhaus nun in einer Halle steht, die um ein Vielfaches größer ist, einer Traglufthalle, ebenfalls entwickelt von Krupp. Zweitausend geladene Gäste sind gekommen, darunter Altbundespräsident Theodor Heuss und Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, die Parteivorsitzenden, BDI -Präsident Fritz Berg, zahlreiche Industrielle und internationale Gäste. Nur Konrad Adenauer fehlt, wegen einer Auslandsreise, wie er hat wissen lassen. In der Lehrwerkstatt nebenan schauen Hunderte Arbeiter auf einer großen Leinwand zu – ein frühes Beispiel von Public Viewing.
Es ist der 20. November 1961, ein strahlender Herbsttag, der die größte Anzahl von dunklen Mercedes-Limousinen vor dem Krupp-Hauptsitz an der Altendorfer Straße vorfahren lässt, welche die Stadt je gesehen hat. Deutschlands größtes Privatunternehmen hält Hof. Als die Bergmannskapelle vor dem Eingang um Punkt elf Uhr verstummt, wird drinnen eine beinahe märchenhafte
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