Berthold Beitz (German Edition)
Essener Hauptverwaltung. Noch am selben Tag ist ein Termin auf der Hardthöhe angesetzt, dem weitläufigen Neubaukomplex im Bonner Westen, in dem neuerdings das Verteidigungsministerium residiert. Auch Alfried Krupp nimmt an der Essener Besprechung seiner Direktoren teil – und winkt ab. »Von seiten Alfried Krupps wurde die Ansicht vertreten, daß man dem Bundesministerium für Verteidigung bei den großenSchwierigkeiten, in die dieses durch unsere Ablehnung gekommen ist, auf irgendeine Weise bei dem Problem für die Entwicklung der Zerstörer helfen müsse, was aber nicht bedeute und auch nicht bedeuten sollte, daß wir uns an dem Bau der Zerstörer beteiligen würden«, notiert das Protokoll ebenso umständlich wieinderSache eindeutig. Krupp wird keine Kriegsschiffe bauen. Ein Jahr später erklärt schließlich noch einer der Direktoren, Friedrich Wilhelm Hardach: »Die Krupp-Werke werden niemals mehr einen Rüstungsauftrag ausführen, selbst wenn man uns eines Tages der Sabotage an der europäischen Wiederaufrüstung bezichtigen sollte.«
Gewiss, ganz unbeteiligt an der Rüstungsproduktion wird das Unternehmen auf Dauer nicht bleiben. Nach Alfried Krupps Tod 1967 versucht der neu gegründete Firmenvorstand besser ins Geschäft zu kommen. In einem Brief vom 22. Juli 1967 an den Vorsitzenden des Bonner Verteidigungsausschusses, Friedrich Zimmermann ( CSU ), und seine Kollegen heißt es: »Der Krupp-Konzern ist, was sicher nicht allgemein bekannt sein dürfte, auf dem Rüstungssektor in vielseitiger Form tätig.« Man offeriert Radargeräte, Spezialstahl, Lenksysteme für die Marine – all das gilt nach hauseigener Definition nämlich nicht als »Waffe«. Knapp wie stets erläutert Krupp-Vorstandschef Günter Vogelsang, im Zweiten Weltkrieg Flak-Oberleutnant, dem Spiegel 1968: »Eine Waffe ist, was bumm-bumm macht.«
Niemand wird behaupten können, dass Bergungspanzer, Stahlhüllen für Kleinst-U-Boote oder Bauteile des Starfighters »bumm-bumm machen« – alles Dinge, die Krupp in den sechziger Jahren herstellt, also noch zu Lebzeiten des letzten Alleininhabers. Seit 1964 gehören Krupp zudem große Anteile der Firma MaK, die den Leopard I -Panzer sowie Navigationssysteme für die Marine mitentwickelt. Beitz’ eigene Definition ist je nach Sichtweise feinsinnig oder »haarsträubend« ( Spiegel ), entspricht aber der Vogelsang’schen Bumm-bumm-Theorie: Waffen, also Kanonen, Panzer oder Raketen, stellt Krupp nicht her. Im Rüstungsbusiness ist das Geschäft mit Militärmaterial jenseits solch »eigentlicher« Waffen aber mindestens genauso bedeutend, und hier beginnt Krupp einzusteigen. Im Grunde ist es so, als würde eine mittelalterliche Schmiede einem Ritter den schützenden Kettenüberwurf für sein Schlachtross herstellen, sich aber aus ethischen Erwägungen weigern, ihn auch noch mit Schwert und Lanze auszustatten.
Das alles sind dennoch, verglichen mit früheren Zeiten, nur Nebengeschäfte. Entscheidend für diesen Wandel war, so Berthold Beitz im Rückblick, »dass Alfried keine Waffen mehr bauen wollte. Das war für ihn eine conditio sine qua non . Und für den Konzern eine Herausforderung: Es war schwer, nach dem Krieg aus dem Rüstungskonzern einen Betrieb zu machen, der nur noch zivile Produkte herstellte.« Und beide Männer wissen: Wer einmalwirklich ins Waffengeschäft eingestiegen ist, kommt nicht mehr so schnell hinaus. Die Investitionskosten sind enorm und zwingen deshalb zu einem Engagement auf lange Sicht. Mit Blick auf Alfried Krupps Weigerung, in den Marineschiffbau einzusteigen, sagte Beitz gleichwohl später mit einem Ton leichten Bedauerns zu Golo Mann, dort habe man »den Fehler gemacht und vielleicht zu konsequent gedacht«. Beitz selbst war es freilich auch, der damals ins Bundeskanzleramt nach Bonn fuhr und Konrad Adenauer erklärte, dass ausgerechnet Krupp sich weigere, Kriegsschiffe zu bauen: »Und das, obwohl wir die ganze Mannschaft noch hatten, das Knowhow und die Werfteinrichtungen.« Aber Alfried Krupps Haltung ist eindeutig, und Beitz trägt sie, loyal wie stets, mit.
Zugleich erkennt Beitz die Chance, die Krupps Abneigung gegen Waffen für den Konzern bietet. Kein Thema ist besser geeignet, den Konzern neuen Typs zu illustrieren, den Abschied von den Kanonenkönigen, vom Totenkopf-Image in den westlichen Ländern, das zu zerstreuen Beitz’ vornehmste Aufgabe ist. Ein Jahr nach dem geplatzten Zerstörer-Deal mit der Hardthöhe erklärt er dem Time- Magazin: »Warum in
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