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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Staatspräsidenten Achmed Sukarno, den der Vater mit auf Deutschlandreise genommen hat, lässt Beitz in Essen eine elektrische Spielzeugeisenbahn aufbauen, komplett mit Bäumen, Schranken, Rangiergleis und einem Kran, der kleine Kistchen auf bereitstehende Lastwagen verlädt. In vielen Zeitungen ist das Foto zu sehen, wie der beglückte Junge Alfried Krupp artig die Hand zum Dank reicht; im Hintergrund, lächelnd wie stets, Berthold Beitz. Mit jedem solchen Foto, mit jedem Zeitungsbericht, mit jeder Reportage in den bunten Blättern weicht der dunkle Schatten ein wenig mehr vom Hause Krupp. Und durch die wie für Riesen geschaffenen Säle der Villa Hügel hallen seit 1953 nicht mehr die Befehle der Patriarchen, sondern die sanften Stimmen der Führer, die den Besuchern 1959 zum Beispiel »5000 Jahre Kunst aus Indien« präsentieren: Das Haus, in dem die Familie Krupp längst nicht mehr lebt, dient nun als Kunst- und Ausstellungsort.
    Ein Foto von 1961 zeigt eine Riege gut gekleideter Herren, die sich stolz vor der Villa Hügel aufstellen wie der Hofstaat vor dem königlichen Schloss. Vor ihnen stehen die Herrscher von Krupp: steif und ernst Alfried von Bohlen und sein Sohn Arndt, der zu dem Zeitpunkt noch als Nachfolger und Firmenerbe gilt, links neben ihnen Berthold Beitz, breitbeinig und heiter. Die mehr als 200 Männer im Hintergrund sind die Auslandsvertreter der Firma Krupp, angereist aus 53 Ländern, deren Flaggen im Hügelpark im Wind flattern. Zwanzig Prozent der Krupp’schen Erzeugnisse gehen bereits in alle Welt und davon schon mehr als ein Drittel in Länder außerhalb Europas und Nordamerikas – in dieser Zeit, in der ideologische und ökonomische Hindernisse den Warenverkehr erschweren und in der die Globalisierung noch unvorstellbar fern ist, ein spektakulärer Wert.
    Aber bei aller Internationalität: In die USA darf Alfried Krupp nach wie vor nicht einreisen, was ihn sehr verbittert. Immerhin aber führt Beitz’ Wirken dazu, dass sich auch in den USA das Bild von dem Konzern und seinem Besitzer allmählich aufhellt. »Gustav Krupp, nicht Alfried, hatte Hitler unterstützt und auf Befehl des ›Führers‹ ausländische Zwangsarbeiter beschäftigt«, schreibt etwa der Reader’s Digest , um hinzuzufügen: »Alfried Krupp hatte sich kaum schuldig gemacht.« US -Botschafter David Bruce folgt sogar Beitz’ Einladung zur Fasanenjagd, an der auch der Konzernherr Alfried selbst teilnimmt. Einträchtig plaudernd spazieren die Herren durch die diesige Herbstlandschaft, die doppelläufigen Flinten lässig im Griff. So schlimm kann die US -Administration also nicht mehr über den Essener Stahlkönig denken.
    Wie hoch der Anteil von Beitz an dieser positiven Entwicklung ist, zeigt 1961 unter anderem ein ganzseitiges Porträt über »the man behind the Krupps« im britischen Observer . Der – noch dazu in der Nazizeit unbelastete – »starke Mann« von Essen sei die Verkörperung einer neuen Generation deutscher Industrieller, »die mit frischen Gedanken, klugen Ideen und einem gewissen coolen Mut zum Risiko mehr als andere für Deutschlands Wiederaufstieg verantwortlich sind«. Zur besten Sendezeit ist Beitz auch im US -Fernsehen zu sehen: der junge Boss aus Germany. Lächelnd wartet er nur auf die Frage des Moderators, ob Krupp wieder tun werde, wofür es bekannt sei, nämlich Waffen herzustellen. Aber nein, antwortet Beitz, »das werden wir nicht mehr. Damit haben wir zu schlechte Erfahrungen gemacht. Die deutschen Industriellen, so glaube ich, können nicht in zehn Jahren vergessen, was gewesen ist.«
    Krupp, der Konzern, ist wieder salonfähig, die Geschäfte gehen gut. Doch die leidige Verkaufsauflage bleibt bestehen, vor allem wegen der öffentlichen Meinung in den USA und Großbritannien. So wird der Vertrag Jahr um Jahr verlängert. Längst aber hat Beitz bestimmt: »Wir verkaufen keinen einzigen Ziegelstein mehr.« Das sagt er, nachdem Krupp als einzigen Betrieb von Rang sein Bergwerk Emscher-Lippe in Datteln veräußert hat. Im Gegenzug plant Beitz bereits, den Geist von Mehlem endgültig auszutreiben. Der Bochumer Verein, jener Montankonzern, den er zuerst für einen Fußballverein gehalten hat und der jahrzehntelang ein hartnäckiger Konkurrent von Krupp war, soll mit den Hüttenwerken Rheinhausen fusionieren. Insofern ist es nur auf dem Papier eine Konzession an die Alliierten, dass Krupp 1956 seine 51-prozentige Aktienmehrheit am Bochumer Bergwerk Constantin an den Bochumer Verein verkauft.

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