Beruehmt und beruechtigt
sie Easy gesehen hatten. Easy war wahrscheinlich bei Credo und genoss den herrlich blauen Himmel, ehe das graue und düstere Wetter einsetzte. Aber ein bisschen seltsam war es schon, dass er plötzlich verschollen war. Ihr gemeinsamer Ausflug nach New York war unglaublich schön gewesen und am Mittwochnachmittag hatten sie im Unterricht die ganze Zeit geflirtet. Fehlte sie ihm nicht?
Inzwischen war Freitag und heute war ihre Kunststunde. Sie trat in den Malsaal und sah, wie Easy seine Pastellkreiden und einen Block mit dickem Zeichenpapier aus seinem Fach zog. Sie trat hinter ihn und strich ihm mit der Hand über die Schulter. »Hey.«
Easy hob den Kopf. Seine großen blauen Augen wirkten angespannt, aber er schien erfreut, sie zu sehen. »Ach … hallo.« Er lächelte verwirrt.
»Alles in Ordnung?« Jenny blickte sich nach Mrs Silver um, die durch den Raum zu anderen Schülern ging.
»Ja, alles in Ordnung.« Easy hob den Blick. »Was gibt’s?«
»Kann ich mal kurz mit dir reden?« Jenny lächelte Alison zu, die neben ihr einen Skizzenblock aus ihrem Fach nahm. Sie zog eine ihrer feinen Augenbrauen hoch und nickte auch Easy zu. Ihr dunkler Pferdeschwanz wippte. Jenny verspürte ein leichtes Bedauern, dass sie jetzt nicht mehr so viel Zeit mit ihr verbringen konnte, nachdem man sie aus der Café Society hinauskomplimentiert hatte. Aber bedeutete das denn gleich, dass ihr gesellschaftliches Leben in Waverly beendet war?
»Hier?« Easy zog ein bedenkliches Gesicht.
Jenny packte ihn am Arm. Die Berührung ließ sie wieder wohlig erschauern. »Nein, lass uns in den Brennraum gehen.«
Easy hob die Brauen. »Das klingt ja verwegen.« Jenny kicherte.
Sie zog ihn in den Raum hinter den Regalen mit den Malutensilien. Der Raum war dunkel. Er hatte nur ein Fenster, das auf den Hudson hinausging. Zwei große und drei kleine Brennöfen nahmen fast den ganzen Platz ein und es roch nach Ton und Staub. Zwei Wände waren mit Regalen zugestellt, auf denen Töpferarbeiten in verschiedenen Stadien der Vollendung ruhten. Der Ort wirkte romantisch und erinnerte Jenny an die erotische Szene in Ghost – Nachricht von Sam, in der Patrick Swayze und Demi Moore sich von dem Ton auf der Töpferscheibe antörnen ließen. Mmmm. Jenny trat nahe an Easy heran und sah ihn voller Verlangen an.
Easy lächelte zu ihr hinunter. »Darüber wolltest du also reden?«
Das holte Jenny in die Gegenwart zurück. »Ähm, nein. Ich wollte dir erzählen, dass man mich aus der Café Society geworfen hat.« Das klang ja albern. »Ich komme also nicht mit nach Boston.«
Easy wirkte nicht sonderlich überrascht. »Ach ja?«
»Genau.« Jenny starrte auf ihre schwarz-weiß karierten Ballerinas hinunter. »Und du?«, fragte sie nervös. »Fährst du trotzdem mit?«
Easy stieß den angehaltenen Atem aus und Jenny sah ihn beunruhigt an. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass vielleicht etwas Schlimmes passiert war. Ihre Handflächen wurden feucht. Vielleicht hatte ihm der Ausflug in die Stadt nicht gefallen? »Ich bin noch nicht sicher«, gab er zu.
»Hab ich … hab ich irgendwas falsch gemacht? Bist du sauer auf mich?« Jenny biss sich nervös auf die Lippe.
»Ich weiß nicht.« Er wandte sich kurz von ihr ab und fingerte an einem Tontopf auf dem obersten Regalbrett herum. Er war sich klar darüber, dass er sich wie ein Arsch benahm. Aber er konnte seine Gedanken nicht davon losreißen, was Tinsley ihm in der Stadt gesteckt hatte – dass Jenny mit einem anderen Typ rummachte. Dazu kam noch die Nachricht von Heath. Er musste herausfinden, ob etwas dran war, und er hoffte, Jenny würde ihm verzeihen, wenn er falsch lag. Aber er brauchte Gewissheit. »Kann es sein, dass du mit einem anderen rumgemacht hast? Zum Beispiel … am Montag?«
Jenny sperrte den Mund auf. Sie spürte, wie ihre Wangen knallrot anliefen, als sie an den dämlichen Kuss mit dem Pizza-Typ dachte. »Oje … da ist wirklich was Blödes passiert.« Sie starrte wieder auf ihre Schuhe. »Es war so ’ne Art Initiationsritus in Tinsleys Club. Wir alle mussten irgendwie diesen Typ küssen …«
»Moment mal.« Easy fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Wie kann man jemand ›irgendwie‹ küssen?« Seine Augen sprühten Funken. »Entweder küsst man jemanden oder nicht.«
»Easy, entschuldige.« In Jennys riesigen braunen Augen – denen er vertraut hatte – standen Tränen, aber Easy war zu wütend, um sich davon rühren zu lassen. »Ich hab ihn geküsst, dabei hab ich es gar nicht
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